Emanzipation der Frau: frei, dafür aber unglücklich?

Die Emanzipation hat Frauen nicht zufriedener gemacht. Dafür fühlen sich die Männer immer besser. Gibt es da etwa einen Zusammenhang?

Das ist kurz gesagt das Ergebnis einer US Studie vom letzten Jahr.  Darüber berichtete Christine Brinck von der FAZ:

Was will eine Frau? Diese Frage stellte vor einem Jahrhundert Sigmund Freud einer Patientin. Sie ist seither von Männern und Frauen wieder und wieder gestellt worden und ist bis heute nicht beantwortet. Eine jüngste Studie der Ökonomen Betsy Stevenson und Justin Wolfers von der Wharton School der University of Pennsylvania mit dem Titel „The Paradox of Declining Female Happiness“ (Das Paradox abnehmender weiblicher Glückszufriedenheit) stellt fest, dass seit 35 Jahren das Glücklichsein der Frauen kontinuierlich abgenommen hat. Wer das für typisch amerikanisch hält, braucht nur auf die Zahlen von Eurobarometer zu schauen und erkennt, dass sich auch für die europäischen Frauen die Glücksfalle aufgetan hat. Ein Paradox? „Zwei Tatsachen stehen sich gegenüber: Das Leben von Frauen hat sich, gemessen an einer Reihe objektiver Maßstäbe, in den vergangenen 35 Jahren außerordentlich verbessert. Auf der anderen Seite aber schätzen Frauen den Grad ihres Wohlbefindens heute schlechter ein, und zwar sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den Männern“, schreiben die Forscher.
Alle Errungenschaften des Feminismus: Frauen sind gesünder, reicher, besser ausgebildet als vor dreißig Jahren – haben sie offenbar nicht glücklicher gemacht als ihre älteren Schwestern, die sich auf die Aufholjagd gegen die Männer begaben. Die haben stattdessen auf dem Glückssektor aufgeholt. Frauen arbeiten zunehmend außerhalb ihres Heims, sie erzielen immer mehr vergleichbare Einkommen, sie können unglückliche Ehen verlassen und sexistische Arbeitgeber oder Kollegen verklagen, sie kontrollieren in nie dagewesener Weise ihre eigene Fruchtbarkeit, sie bevölkern in großer Zahl die Universitäten, leben länger und genießen zuweilen sogar eine größere Arbeitsplatzsicherheit. Und dennoch: Glücklicher sind sie dabei nicht geworden. Wahrlich ein Paradox!
Als Betty Friedan sie noch als die Opfer eines „Problems ohne Namen“ diagnostizierte, erklärten sich die Frauen im Durchschnitt für glücklicher als die Männer. Die Glückslücke der Geschlechter hat sich langsam zugunsten der Männer gedreht. Sie sind stets ein bisschen glücklicher geworden, Frauen stets ein bisschen weniger. Männer scheinen nun glücklicher als Frauen zu sein. Schnelle und simple Antworten auf diese unerwartete Entwicklung gibt die Studie nicht.
Ist die Bedrängnis der traditionellen Familie schuld? Gewiss senkt die Rumpffamilie die Lebenszufriedenheit von Frauen, die allein ihre Kinder großziehen müssen. Das allein ist jedoch keine Erklärung, denn die Neigung zu höherer weiblicher Unzufriedenheit geht quer durch alle Rassen und Klassen. Die hispanische Arbeiterin hat eine größere Chance, als alleinerziehende Mutter ihr Dasein zu fristen, als ihre weiße, reichere Schwester, und doch gleicht die männlich-weibliche Glückslücke in Westchester County (reich) der von Oakland (arm). Senkt Überlastung die Zufriedenheit von Frauen? Ist die von Arlie Hochschild beschriebene „zweite Schicht“ schuld, die den Frauen nach der größeren Verantwortung im Beruf immer noch den Löwenanteil im Haushalt aufbürdet? Möglich, doch Stevensons und Wolfers Auswertungen zeigen, dass die Arbeitszeitmuster für Männer und Frauen sehr ähnlich geworden sind.
Oder ist vielleicht der Raubtierkapitalismus der vergangenen Jahrzehnte schuld, der Frauen eher Angst macht? Fühlen sich Frauen möglicherweise in gleichmacherischen, weniger risikoreichen Gesellschaften wohler? Auch hier hält die Studie keinen Trost bereit: In der kuscheligen, egalitäreren EU sind die Glückswerte der Frauen gegenüber den Männern in den vergangenen dreißig Jahren ebenso stetig gefallen wie in Amerika.
Die Studie gibt den Feministen wie den Traditionalisten genug Futter für grobe ideologische Interpretationen. Die einen werden auf die Glasdecke verweisen, gegen die die Frauen mit ihren gesteigerten Erwartungen stoßen. Die anderen das verminderte Glück der Frauen auf die Fehlentwicklung durch den Feminismus zurückführen. Das betrifft sowohl die Unerfülltheit ihrer angestammten Biologie wie die Verantwortungslosigkeit der Männer. Die fühlen sich nämlich durch die Pille – zum Schaden der Frauen – von jeder Verantwortung befreit. Doch so einfach ist es nicht. Die Autoren vermuten nämlich, dass das verminderte Glücksgefühl der Frauen daher rühren könnte, dass ihre Ansprüche deutlicher gestiegen sind, als ihre persönliche Situation sich tatsächlich verbessert hat. Auch könnte die größere Gleichheit zwischen den Geschlechtern eine Rolle spielen und das Glücksempfinden negativ beeinflussen, weil sich Frauen nun am Standard der Männer und nicht mehr nur an anderen Frauen orientieren. „Frauen sehen sich relativ schlechter dastehen, als wenn ihre Vergleichsgruppe nur Frauen einschlösse“, heißt es in dem Papier. So betrachtet, hat die Frauenbewegung zwar zur wirtschaftlichen Besserstellung geführt, aber auch dazu beigetragen, dass die Frauen weniger glücklich sind. Das Gefühl des Glücks ist ein vages und subjektives, offenbar aber ist die als Befreierin gefeierte außerhäusliche, bezahlte Arbeit kein Garant für die Steigerung dieses Gefühls. Der verbreitete Glaube, dass bezahlte Arbeit eine nie dagewesene gesellschaftliche Zufriedenheit und psychologischen Gewinn für Mütter mit kleinen Kindern nach sich zieht, bestätigt sich nicht.
Vielleicht kam Daniel Kahneman, der Psychologe mit dem Nobelpreis, dem Geheimnis des Glücksdefizits am ehesten auf die Spur, als er und seine Kollegen 909 berufstätige Frauen fragten, was sie bei 16 verschiedenen Tätigkeiten und Interaktionen mit acht verschiedenen Partnern am Vortage gefühlt hatten. Als sie die unterschiedlichen Erfahrungen auswerteten, zeigten die Daten, dass die berufstätigen Frauen im Durchschnitt höhere Glückszufriedenheit für Tätigkeiten wie Shopping, Essenszubereitung, Kinderpflege und Haushalt vermerkten als für ihre Arbeit – die bezahlte Tätigkeit rangierte an zweitunterster Stelle, einen Platz vor dem Weg zur Arbeit. Dementsprechend empfanden sie einen höheren Grad an negativen Gefühlen während der Arbeit als während des Kochens oder der Kinderaufsicht. Bei der Frage nach den Interaktionen mit unterschiedlichen Partnern rangierten die mit ihren Kindern als größere Glücksspender als die mit Klienten/Kunden, Kollegen oder Bossen. Vielleicht wird das vielzitierte Elend häuslichen Lebens doch nicht von allen Frauen zu allen Zeiten als so viel elender empfunden als bezahlte Arbeit.

Ein Schlüssel könnte im gesteigerten Männerglück liegen. Die haben in den letzten Dekaden ihre Arbeitszeiten kontinuierlich verkürzt und damit das, was sie nicht so ersprießlich fanden, die Arbeit, verringert. Die gewonnene Zeit verbringen sie mit „nichts tun, entspannen und ausruhen“, wie Alan B. Krueger in seinem Aufsatz „Are we having more fun yet?“ (Haben wir schon mehr Spaß?) schrieb. Die Frauen haben zwar die Hausarbeit verringert, aber sich dafür die außerhäusliche Arbeit eingehandelt, die genau wie bei den meisten Männern alles in allem eben nicht nur zu Glück und Zufriedenheit führt.

Wäre die bezahlte Arbeit in der Tat die Erfüllung, von der seit Jahrzehnten die Feministinnen in Artikeln, Büchern und Essays schwärmen, dann würde der männliche Durchschnittsarbeiter nicht überall in der industrialisierten Welt alles daransetzen, so früh wie möglich in den Ruhestand zu geraten. Die Freuden bezahlter Arbeit, die zur stetigen Glücksmaximierung beitragen sollte, sind eine Ausgeburt der schwatzenden Klasse. Diejenigen, die öffentlich über Themen wie Geschlechtergleichheit oder Arbeit und Mutterschaft nachdenken, reden und schreiben, sind Leute, die denken, reden und schreiben als Broterwerb. Sie erleben als Autoren, Professoren, Leitartikler oder Stiftungsleiter einen Grad an physischer und zeitlicher Selbstbestimmtheit, der mit den Zwängen des durchschnittlichen Arbeitnehmers, der einen Job zwischen neun und fünf ausübt, nichts gemein hat.

Ein Zurück zu Küche, Kirche, Kinder ist der neuen Studie indes ebenso wenig zu entnehmen wie anderen, die das Glücksempfinden von Frauen erforschen. Was man den Studien zwischen den Zeilen aber doch entnehmen kann, ist, dass die Arbeitswelt und die Politik immer noch nicht den richtigen Weg gefunden haben, die Herausforderungen von Mutterschaft und Familie mit den Anforderungen der Arbeitswelt in ein glücksspendendes Gleichgewicht zu bringen.

Der öffentliche Diskurs über die Balance zwischen Mutterschaft/Familie und Berufstätigkeit dreht sich ausschließlich um Vorschläge für die natürlich qualitative, aushäusige Pflege. Die Frauen in Kahnemans Studie passen schlecht zur feministischen Theorie, aber in der Praxis brabbeln sie lieber mit ihren Kindern als mit ihren Kollegen. Darum lehnte Simone de Beauvoir Wahlfreiheit für Frauen komplett ab. Sie war überzeugt, wenn man den Frauen die Wahl ließe, zu Hause die Kinder großzuziehen, würden „zu viele Frauen sich auch dafür entscheiden“.

Vielleicht sollten zur Abwechslung einmal die höchst unterschiedlichen Interessen von Frauen und die ganze Bandbreite der Möglichkeiten diskutiert werden, Familie und Arbeit über ein langes Leben von 85 Jahren harmonisch zu verteilen.

4 Gedanken zu „Emanzipation der Frau: frei, dafür aber unglücklich?“

  1. Glücksforscher haben übrigens herausgefunden, dass Egoismus ein Glückskiller ist. Ob das vielleicht auch eine Rolle spielt…?

  2. Wenn ich mal meine Meinung sagen darf? Es waren die Männer selbst, die sich abgeschafft haben, und zwar die parlamentartischen Waschlappen!

    Im Grundgesetz werden die Grundrechte (Artikel 1 bis 19) an den Anfang gestellt; sie sind „unmittelbar geltendes Recht“!

    Artikel 1 und 20 sind, vom GG bestimmt, unaufhebar! Die Grundrechte Art 1 bis 19 dürfen in ihrem Wesensgehalt nicht angetastet werden (Art. 19,2)!
    Soweit die Vorinfo.

    Wer sich mal über die Änderungen des GGs seit 1990 informiert, findet da allerlei Bemerkenswertes.

    1990 hat die Bundesregierung gleich nach der Wiedervereinigung den Sinngehalt der Präambel geändert, faktisch den Staat aufgelöst. Obwohl nur der letzte ein Satz hätte gestrichen werden müssen. Der Verweis auf die Wahrung der „nationalen und staatlichen Einheit“ wurde ersatzlos gestrichen und der „beseelte Wille“ direkt auf ein vereintes Europa gerichtet. Und weil der Bürger nicht eingeweiht worden war, meint das Parlamentariertum den beseelten Willen eben den der Parlamentarier.

    Der Geltungsbereich des GGs wurde aufgehoben (Art. 23).

    Die Gleichheit vor dem Gesetz ist mit Zusätzen versehen worden, die den Sinngehalt des Gesetzes entstellen und Männer diskriminieren (Art. 3).
    Das GG verpflichtet diesen Staat explizit auf die Grundrechte (Art. 3), weshalb der Zusatz in (Art. 3,2), daß der Staat nun die Gleichberechtigung fördern und durchsetzen wolle, eine anstößige Tautologie darstellt!

    Die Unverletzlichkeit der Wohnung wurde aufgehoben (Art. 13)

    Das Auslieferungsverbot ans Ausland wurde aufgehoben (Art. 16)

    Frauen zwischen 18 und 25 können im Verteidigungsfalle (wie in Afghanistan?) zum Lazarettdienst herangezogen werden (12a)

    etc.

    Das wirklich dicke Ding jedoch ist, daß für die ersatzlose Streichung – Geltungsbereich des GGs (Art. 23) – die Willenshaltung der Bundesregierung auf die Verwirklichung der Europäischen Union verpflichtet worden ist, die sichfortan zu bemühen habe, einen „vergleichbaren“ Grundrechtsschutz in Europa zu gewährleisten. Man kann Äpfel mit Birnen vergleichen oder Primaten mit Menschen.

    Die erwähnte Tautologie macht nun Sinn, denn den verfassunggegebenen Grundrechten fühlt sich keine Bundesregierung mehr verpflichtet, lediglich den Frauenrechten! Wenn Parlamentartierer sich aufs GG berufen, dann perfider Weise auf Art. 3 und den Zusatz in in Art. 3,2!

    Am besten, man besorgt sich eines von vor 1990. Da steht alles drinnen. Das Änderungen des GG seit 1990 haben nicht nur den einheitlichen Geist des GGs zerstört, sie sind da fakto verfassungswidrig.
    In dem Zusammenhang auch bitte Art. 21 Parteiengesetz lesen!

    Und es ist hochnotpeinlich für all die intellektuelen Schwätzer, daß ich als Unstudierter drauf hinweisen muß!

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