Ist Ihr Nachbar homophob?

Oder ist Ihr Nachbar vielleicht sogar Männerhasser? Oder Antifeminist? Kevin Fuchs versucht, auf diese  Fragen Antworten zu finden:

Ihr Nachbar – der Mann, der links zwei Häuser neben Ihnen wohnt – ist ein homophober, frauenfeindlicher, männerhassender Nazi! Das glauben Sie mir nicht? Ihr Misstrauen ist gerechtfertigt, in der Tat weiß ich überhaupt nichts über Ihren Nachbarn. Gewiss könnte ich versuchen, es nur oft genug zu wiederholen. Das funktioniert zumindest bei den meisten Lügen hinreichend gut. Bei dieser Lüge allerdings kaum – warum? Nun, Schwulenfeind, Frauenfeind, Männerfeind, Nazi: Das sind ein paar hässliche Attribute zu viel – zu viel um wahr zu sein. Ich müsste schon mehr Fantasie aufbringen, um Ihnen diese Lüge als Wahrheit verkaufen zu können.
Ein missglückter, weil gähnend fantasieloser Versuch wurde jüngst von der Heinrich Böll-Stiftung veröffentlicht. Hinrich Rosenbrock, 26 Jahre jung, will der Welt die Männerbewegung erklären und stößt dabei auf ein für ihn unüberwindliches Problem: Die Männerbewegung existiert in dieser Form nicht – zumindest nicht so, wie Rosenbrock sie sich vorstellt. Man kann sagen, dass Kritik am Feminismus sich allerorten Gehör verschafft. Diese Erscheinung kann man grob in verschiedene Strömungen einteilen: Intellektuelle, Väter, Menschen aus der Sozialarbeit, der Therapeutischen Praxis, Kinder- und Jugendhilfe, um nur ein paar zu nennen.
Zugegeben, der Begriff „Maskulismus“ klingt nach einem Ismus, daran trägt aber allein das Wort, genauer gesagt sein letztes Silbenpaar Schuld und nicht das, was hinter dem Wort steht. Denn eine geschlossene, homogene Bewegung ist all dies keineswegs. Wozu auch? Die Antwort auf einen Ismus ist schließlich kein gegenteiliger Ismus sondern überhaupt kein Ismus. Daraus erklärt sich, dass die Männerbewegung in sich vollkommen heterogen ist. Leute wie Rosenbrock scheitern mit ihren „Analysen“, da sie krampfhaft versuchen einen Ismus zu entdecken wo keiner ist. Es mündet dann in zwanghaftem Spekulieren und Mutmaßen, an dessen Ende dann herauskommt, dass Männerbewegte irgendwie frauenfeindlich, homophob, rechtsradikal und seit neuestem auch männerfeindlich sind. Da hat sich einer etwas, was er nicht kennt, in den schlimmsten Farben ausgemalt und ein Phantom daraus gebastelt.

Rosenbrock hat wichtige Primär-Literatur nicht gelesen und wenn doch, hat er sie nicht verstanden. Mit leibhaftigen Vertretern der Männerbewegung – also solchen aus Fleisch und Blut – hat er sich erst gar nicht abgegeben. Stattdessen hat er sich vom Computer aus stumpfsinnig durch Internet-Foren und Blogs geklickt. Das Ergebnis mutet mehr als dürftig an. Das skizzierte Bild der Männerbewegung erscheint struktur-und zusammenhangslos, überzogen mit homophoben, frauenfeindlichen, männerfeindlichen, rechtsradikalen Karikaturen.

Wenn unsereins Rosenbrocks Ergüsse erduldet, so fragt ein jeder sich: Über wen zum Teufel spricht er da eigentlich? Keiner von uns fühlt sich angesprochen. Und so kommt es, dass dieser Schabernack den „Betroffenen“ – sprich den angeblichen Homophobikern, Frauenfeinden, Männerfeinden und Nazis – kaum mehr als Spott und Häme entlockt. Ihre Kommentare finden sich allenfalls in der letzten Spalte ganz unten oder im hintersten Winkel eines Internetforums. Mehr Einsatz war ihnen dieser Schmuddelschinken nicht wert. Das ist würdig und recht.

Dennoch erfreut mich dieses Werk, da es in nicht allzu ferner Zukunft ein glänzendes Zeitzeugnis abgeben wird. Denn so unbeachtlich sein Inhalt, so beachtlich ist doch der Umstand, dass es von der Heinrich-Böll-Stiftung derart aufs Podest gehoben wird. Und so mancher fragt sich: Ist das jetzt akademischer Standard? Ja, so ist es! Der Bologna-Prozess und die schleichende Erosion der Hochschulautonomie haben offensichtlich ihre Spuren hinterlassen. Dieses Werk ist eines von vielen Vorzeichen für den Niedergang der akademischen Klasse in diesem Land. Und eben diese scheint bereits seit längerer Zeit nur noch jene Debatten zu führen, zu denen sie noch fähig ist. Und denken Sie immer daran: Ihr Nachbar – der Mann, der links zwei Häuser neben Ihnen wohnt – ist ein homophober, frauenfeindlicher, männerhassender Nazi!

1 Gedanke zu „Ist Ihr Nachbar homophob?“

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