Von Alexander Ulfig. Ende des 19. Jahrhunderts verkündete der Philosoph Friedrich Nietzsche die Auflösung von zentralen Werten der westlichen Zivilisation. Den Prozess der Werteauflösung bezeichnete er als Nihilismus. Die bisherigen, aus dem Platonismus, dem Christentum und der Aufklärung stammenden Werte haben ihre Orientierungskraft verloren. Es handelt sich um Werte wie Wahrheit, Objektivität, Vernunft, Gleichheit und Gerechtigkeit. Nach Nietzsche gibt es keine Wahrheit, sondern nur unterschiedliche Perspektiven und Interpretationen. Der Wille zur Macht entscheidet darüber, welche Perspektive und Interpretation sich durchsetzt.
Nietzsche wendet sich gegen eine allgemeingültige, für alle Menschen geltende Moral und spricht sich für eine „Ethik der Vornehmheit“ aus, also für eine Ethik, die nur für eine Gruppe gelten soll. Eine Folge der Ablehnung von allgemeingültigen Werten und Normen ist eine skrupellose, vom Willen zur Macht geleitete Politik.
Die philosophische Postmoderne knüpft an den Nihilismus Nietzsches an und radikalisiert ihn. Auch sie möchte allgemeingültige Werte und Normen dekonstruieren. Wissen gilt für postmoderne Denker nur relativ zu dem jeweiligen sozio-kulturellen und historischen Kontext. Es gibt für sie keine allgemeingültige Wahrheit und keine Objektivität. Doch nicht nur theoretische, sondern auch praktische Werte wie Unabhängigkeit, Selbstbestimmung (Autonomie), Emanzipation, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit werden von der Postmoderne dekonstruiert. Es sind zentrale Werte des Humanismus und der Aufklärung.
Die Verbreitung des postmodernen Relativismus beschränkt sich jedoch nicht nur auf kleine intellektuelle Zirkel, sondern findet auch Widerhall in vielen relevanten Bereichen der Gesellschaft, wie in der Politik, Wissenschaft und in den Medien. Konsequenzen davon sind skrupellose Machtpolitik und die Etablierung von partikularen Sonderrechten.
Besonders deutlich zeigt sich der Einfluss des postmodernen Relativismus und Nihilismus in der Gender–Theorie, einer Variante des Feminismus, und in der aus ihr folgenden Politik des Gender–Mainstreamings, die in Deutschland auch als Gleichstellungspolitik bezeichnet wird. Diese Politik verletzt zentrale Prinzipien der westlichen Gesellschaft wie das Leistungsprinzip sowie das Prinzip der Bestenauslese und verstößt gegen fundamentale Werte wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Demokratie. Sie etabliert Sonderrechte für bestimmte Personengruppen.
Ein Paradebeispiel für diese skrupellose Machtpolitik ist die Quotenpolitik. Sie schafft Sonderrechte und Privilegien für eine relativ kleine Gruppe von Frauen und nimmt dabei die Diskriminierung von Männern in Kauf.
Als eine Alternative zum postmodernen Relativismus und seinen Auswüchsen bieten sich zuerst die Werte des Humanismus und der Aufklärung an. Eine besondere Rolle spielen dabei die universellen Menschenrechte. Ihre Einhaltung kann der nihilistischen Politik einen Riegel vorschieben.
Des Weiteren ist es notwendig, die Errungenschaften des Individualismus zu verteidigen: Die Rechte des Einzelnen sollten in allen Bereichen der Gesellschaft gestärkt werden. Diversity muss daher nicht wie in der Politik des Gender-Mainstreamings als Vielfalt von Gruppen, sondern als Vielfalt von Individuen bestimmt werden.
Die postmoderne Beliebigkeit führt zur Auflösung von fundamentalen Prinzipien der Demokratie. Das gilt vor allem für die Prinzipien der demokratischen Willensbildung in den politischen Parteien, für die sog. innerparteiliche Demokratie. Damit wird der partikularen Interessenpolitik, also Lobby- und Klientelpolitik Tür und Tor geöffnet. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, ist es erforderlich, die innerparteiliche Demokratie, genauer: die Rechte der einzelnen Parteimitglieder, zu stärken.
Bei der Stellenvergabe auf dem Arbeitsmarkt sollten nicht kollektive Quoten, sondern die auf der Auswahl von Individuen beruhenden Prinzipien, das Leistungsprinzip und das Prinzip der Bestenauslese, in den Vordergrund gestellt werden. In anderen Worten: Menschen sollten als Individuen sowie nach ihren individuellen Fähigkeiten und Qualifikationen und nicht nach ihrer Gruppenzugehörigkeit beurteilt werden. Als ein Ausweg aus der von Gruppeninteressen geleiteten Gleichstellungs- und Quotenpolitik kann eine konsequente Politik der Qualifikation angesehen werden. Nur sie könnte eine gerechte Praxis der Stellenvergabe sicherstellen.
Alexander Ulfig, Wege aus der Beliebigkeit. Alternativen zu Nihilismus, Postmoderne und Gender-Mainstreaming, Baden-Baden 2016 (zu beziehen hier…)
Ajch auf MannDat erschienen.