Männliche Identität

Von Thomas Fügner

Prolog
Der Begriff „Identität“ ist recht alt, geht auf Aristoteles zurück und bezeichnete bei René Descartes („Ich denke, also bin ich“) im sog. „cartesischen Weltbild“ den Wesenskern einer Sache, eines Menschen, diejenigen Merkmale, die in ihm unveränderbar sind. Da seid Freud (Instanzenmodell aus „Es, ich und Überich“) der Mensch in sozialen Umfeld sich entwickelt, ist dieser Wesenskern (Es) erweitert worden (Ich). Gravierender sind die Eingriffe in die Idee vom Wesenskern durch die Geistesströmungen der Moderne, konkret des Kultur- Marxismus (Adorno) und des Dekonstruktivismus (Foucault), der den Mensch gänzlich als soziales Konstrukt begreift- auch und gerade sein biologisches Geschlecht. Die Idee der Identität wird somit (Neu-) Rechten zugewiesen. (Vgl. bpb: „Identität als rechter Begriff“.

Der Begriff der Identität ist auf der politischen Ebene brisant geworden, seitdem die „Identitäre Bewegung“ europaweit als Jugendbewegung das linke Establishment gekonnt provoziert. Die Bundeszentrale für politische Bildung widmet dem Begriff Identität mehrere Artikel. Auch auf der psychologischen Ebene fungiert Identität als Kampfbegriff gegen das Narrativ vom zunehmend bis völlig sozial determinierten Ich.

Die De-Konstruktion des biologischen Geschlechts, die Auflösung bis hin zu seiner Leugnung ist im höchsten Maße politisch, wie die GenderPOLITIK, in Verbindung mit der Gender- Sprache, als Ausfluss der Gender- „Wissenschaft“ beweist. Dieser Dekonstruktion stellt sich der vorliegende Aufsatz entgegen, indem er den „Männlichen Wesenskern“ freizulegen versucht.

Unser Wesenskern

Jede Säuglingsschwester weiß, was jedes Geschwisterpaar in seiner Unterschiedlichkeiten (trotz ihrer genetischen Ähnlichkeit!) täglich erfährt: wir werden geboren mit einem individuellen Wesenskern, den wir im Laufe unserer Persönlichkeits- Entwicklung („Individuation“- C. G. Jung) emotional in „Muttersprache“ und Wertesystem („Vaterland“) kulturell vertiefen, verfeinern.

Wer sich selbst, auch aus Bequemlichkeit, mehr als „Opfer gesellschaftlicher Umstände“ sieht, wird die Entscheidung, ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen auf ewig verschieben. Die Opferrolle ist nicht nur bequem, sie garantiert auch Aufmerksamkeit und gesellschaftliches Mitleid. So weit, so schlecht.

Wer sich dagegen aufmacht, Verantwortung zu übernehmen, für sich, seine Beziehung, sein Leben, übernimmt das Risiko, Rückschläge verarbeiten zu müssen. Diese sind aber nur im Vorfeld schmerzhaft- rückblickend erkennt man meist, dass eine traurige Trennung und ihre Verarbeitung, die Würdigung der besonderen Qualität einer Beziehung, erst die Voraussetzung für eine um vieles schönere Beziehung war!

Männer! Auch IHR SEID ES WERT, GELIEBT ZU WERDEN!!

„Das Nein ist die Geburt der Persönlichkeit!“ (Rene Arpad Spitz) Sich frei zu machen vom fremd-, also medien- und politikbestimmten Rollenbild zugunsten ganz eigener, individueller, männlicher Identität, das ist ein schmaler, psychischer Wachstumspfad, den Mann meist allein gehen muss, ein mehrjähriger seelischer Prozess, der nachhaltig bessere Beziehungen in Beruf und Privatleben mit sich bringt. Dazu muss ein Mann sich abgrenzen vom Beliebigen, vom „alles kann, nix muss“, hin zum kraftvoll gesprochenen „Nein!- Nicht mit mir!“. Und diese Persönlichkeit unterscheidet sich halt von dem, was andere so denken, sie hat den Mut, für die eigenen Ideen und Ideale auch abgelehnt zu werden. Das Wesen menschlichen Erkennen und Denkens setzt nun mal die Polarität voraus- sie abzulehnen verkennt das Wesen von Tag und Nacht, Sommer und Winter, Magneten, Plus- und Minuspol, und eben auch Mann und Frau. Wer die Unterschiede der Geschlechter negiert, bagatellisiert, verachtet, legt quasi einen Maulschlüssel auf die Autobatterie. Die Folge: Kurzschluss! Eine starke Beziehung kann halt nicht mit Schwachstrom laufen. Ich muss kein Monsieur 10.000 Volt sein, damit im Bett die Funken der Leidenschaft sprühen, aber mit 1,5 Volt Spannung läuft kein kraftvoller Motor.

Machen wir uns zunächst frei vom Geburts- und Denkfehler feministisch geprägter Geschlechtsbilder! Diese fokussieren sich auf die im Jin/Yang- Symbol kleineren Gegenpole. Und verachten die Wesenskerne von Weiblichkeit und Männlichkeit. Diese Verachtung schlug 40 Jahre lang durch auf die Beziehungen, das Mit- und das Füreinander ist faktisch zerstört.

Freiheit! Wer sich unabhängig macht von Mütter-, Frauen- oder sonstigen sozialen Erwartungen, wer seine Werte im Freundeskreis, unter Männern (!) sucht und findet, ein gutes Verhältnis zum Vater, den Großvätern und Ahnen aufbaut, wer seine Ideale kennt, um seine eigenen Werte und Stärken weiß und sie kraftvoll auch nach außen vertreten kann, der gewinnt nicht nur Selbstachtung als Mensch, sondern auch die Achtung von DER Frau, die ihn als wertvollen Mann, mit Ecken und Kanten zu schätzen und zu lieben weiß.

Die Machofalle vermeiden

Mann-/Frau- Beziehungen werden heute definiert durch die RECHTE, die man GEGENeinander zu HABEN beansprucht. Dem liegt bei beiden Geschlechtern ein Missverständnis zugrunde, das ich „narzisstische Infantilität“ nennen möchte. Die Griechen unterschieden Eros und Tymos: Dies ist ein leidenschaftliches Plädoyer für BEIDE Geschlechter, zu wachsen. EROS ist eine Haltung – nehmend, kindlich, bedürftig. Dagegen Tymos – gebend, stolz, erwachsen (Peter Sloterdijk: Cicero 10 / 2009)

Sigmund Freud antwortete auf die Frage: „Was will die Frau? Ich weiß es nicht!“ Der klassische Fehler der 3. Art: falsche Frage, weil suggestiv. Das „Wollen“ unterstellt bei beiden Geschlechtern eine lebenslange Bedürftigkeit- so entstand die „erotische Gesellschaft“.

Wer, ob als Mann oder als Frau, sich in der kindlichen, erotischen Haltung als materiell (Frauen) oder emotional (Männer) dauerhaft bedürftig sieht, wird in keiner Beziehung je Zufriedenheit erlangen. Das Beispiel aus dem Märchen ist „Dem Fischer seine Frau“, die Ilsebill: bedürftig, maßlos, nie zufrieden.

Auch Männer, die nicht erwachsen werden wollen, im Peter- Pan- Syndrom, verhaftet bleiben, bei Mutti waschen, als Macho, als Playboy oder sich an Ex- Frau oder Feministinnen abarbeiten, anstatt sich selbst genug zu sein, haben ein Defizit abzuarbeiten: Emotionale Autonomie. Wer „DEN Frauen“ (im Aussen) oder seinen Launen (dem eigenen sich selbst unbekannten weiblichen Anteilen in seinem Inneren) ausgeliefert ist, bleibt ein Tyrann, in der aktiven, oder ein Muttersöhnchen, ein Weichei in der passiven Variante. Dieser Mann, der sich als Mann nicht kennen gelernt hat, dem seine „weibliche Qualität“ in sich selbst fremd geblieben ist, sucht diese bei den Frauen, wie auch immer- ein Opfer unbewusster, unreflektierter Weiblichkeit. In der Folge gerät dieser Mann immer wieder an Frauen, die ihn nicht von ganzem Herzen lieben (können). Er arbeitet sich an deren Liebe ab, erfolglos, vielleicht sogar lebenslang! Dieser „bedürftige (erotische!) Mann“ kann und will sich von lieblosen Frauen (Ehefrauen, Geliebten, Emanzen,..) nicht lösen, er sieht auch seine eigene Erotik nur als Bedürfnis, nicht als Geschenk, weil er sie nimmt, anstatt zu geben. Und er verschiebt die Verantwortung für das „emotionale Chaos“ auf die Frauen, bleibt so ein armes „Opfer der gesellschaftlichen Umstände“.

Nein! Beide Geschlechter sind als „Erwachsene“ sich selbst und für andere genug. Beide Geschlechter haben einander viel zu geben, sie sind (sich selbst) und dessen nur leider nicht bewusst.

NEIN! Wir Männer brauchen einen Standort- und Perspektiven- Wechsel, vom ICH zum DU! Im Wesentlichen geht es um die Übernahme von MEHR Verantwortung für sich, seine Werte, seine Männlichkeit einerseits und seine Gefühle, Intuition und Körperlichkeit andererseits. Bestimmung und Abgrenzung von Werten (ICH), und Hingabe für andere: DU! Die ur- eigene Emotionalität in sich zu erforschen, bedeutet eben NICHT zum kalten Macher, Macho zu werden, sondern die Liebe zu Natur, Pflanzen und Tieren zu beleben, zu Kultur, zu anderen Menschen Respekt aufzubauen, diese nicht nur als Narziss zu missbrauchen, um geliebt zu werden, sie zu NEHMEN, sondern Liebe in Form von Mitgefühl und Fürsorge zu GEBEN. Dann findet auch die Frau, die weiblich genug ist, sich als Frau, ihre Weiblichkeit, Mütterlichkeit, ihren Charme und ihre erotische Hingabe in ihrer Tiefe und Vielfalt zu achten, auszuleben, unabhängig von der männlich- materiellen Welt (!) zu fühlen, … DICH, den „vir bonus“, den Guten Mann in Dir!

Wie wär´s mit Pflichten- statt Rechten?

„Wer KEIN Leben hat, hält sich an seine Rechte. Wer Leben hat, hält sich an seine Pflichten.“ (Lao- Tse). Ein Paar, das sich nicht definiert über die vertragliche Absprache von Rechten, etwa durch einen Ehevertrag, sondern wo beide Partner in ihrer Fülle fähig und bereit sind zur Mehrung ihrer Hingabe füreinander, das sich mutig der Unterschiedlichkeit ihrer Wesen stellt, das die Entfaltung ihrer Wesens- UNTERSCHIEDE und die damit verbundene Spannung aushält, das kann sich besinnungslos, leidenschaftlich und hemmungslos lieben- emotional und sexuell, dann entsteht das, was eine glückliche Beziehung ausmacht: „Liebe ist, wenn Treue Spaß macht!“

Quelle:  https://maennerschmie.de/index.php/2019/12/23/maennliche-identitaet/

Literaturtipps:
Gerhard Amendt: Von Höllenhunden und Himmelwesen – Plädoyer für eine neue Geschlechterdebatte
Robert Betz: Mutter-/ Vater Deiner Jugend, Tor zu Deiner Freiheit (CDs)
Börn Leimbach: Männlichkeit leben
Michael Klonovsky: Der Held. Ein Abgesang
Thomas Fügner: Die wahre Kraft des Mannes