Mann und Frau: Nur das Ungleiche schafft Neues

Liebe Sofie!

Vor ein paar Wochen saßen wir gemütlich zusammen mit Sommerwein auf der Terrasse und kamen unvermittelt auf die gerade beschlossene „Ehe für alle“ zu sprechen. Du fandest, diese einfache Neuregelung sei nur konsequent, weil die eingetragene Lebenspartnerschaft an verschiedenen Stellen der Ehe rechtlich eben noch nicht gleichgestellt sei, und es ginge ja nicht an, gleichgeschlechtlichen Paaren nur die Pflichten und nicht auch die Rechte einer Ehe zuzugestehen. Und außerdem hättest du schließlich in deinem Freundeskreis auch ein solches Paar, das genauso treu und liebevoll miteinander umginge wie ein Ehepaar, und sich genauso wegen herumliegender Socken streite.

Okay, was mich anbelangt: Ich gebe zu, dass diese Argumente logisch klingen. Allerdings nur, weil wir in der Vergangenheit so viel Mühe und Kraft in die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mann und Frau auf allen Ebenen investiert haben, dass es uns als ideal erscheint, wenn beide Geschlechter vollkommen austauschbar nebeneinander stehen. Und worin könnte dann diese Gleichstellung besser zum Ausdruck gelangen als in dem Institut der Ehe? Die Ehe konnte bisher als „Diskriminierung“  angesehen werden, weil eben „nur“ Mann und Frau und nicht Mann und Mann oder Frau und Frau heiraten durften!

Damit hätten wir auch die unsägliche Diskriminierung, die biologische Mutter­schaft und Vaterschaft darstellen, aus der Welt geschafft. Und wer würde in Abrede stellen, dass ein Kind bei zwei liebevollen „Vätern“ viel besser aufgehoben wäre als in der zerrütteten Ehe seiner alkoholkranken Eltern? Bis dahin sind wir Beide uns einig. Aber:

Dieser Einsicht geht die lange und folgenschwere Geschichte des Feminismus voraus, der antrat, um die Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen und sie aus überkommenen patriarchalen Strukturen zu befreien. Du und ich, wir profitieren beide von seinen Errungenschaften: Wir dürfen wählen, wir dürfen studieren, was wir wollen, und unser eigenes Geld verdienen. Aber in dem Wahn, alle Werte und Institutionen dekonstruieren zu müssen, die der Befreiung der Frau im Wege stehen, ist der politisch maßgebliche Feminismus in der westlichen Welt längst auf der anderen Seite vom Pferd gefallen: er zielt auf die Auflösung der Geschlechter.

Dabei wird übersehen: Was im tiefsten Innern, im Kern unseres Daseins, was unsere Identität ausmacht, was Mannsein und Frausein, was Ehe und Sexualität zu bedeuten haben, das leiten wir nicht im luftleeren Raum aus uns selbst her!

Es verwundert mich immer wieder, dass in unserer Zeit, die so viel Wert auf Ökologie, biologischen Anbau und Leben im Einklang mit der Natur legt, kaum ein grün denkender Intellektueller auf den Gedanken kommt, dass auch der Mensch eine Natur hat, die wir aus ökologischer Verantwortung respektieren müssen.

Wenn wir der Biologie des Menschen Rechnung tragen, können wir davon ausgehen, dass, wenn ein neuer Mensch aus der Vereinigung von Mann und Frau hervorgeht, dies nicht per se eine Diskriminierung anderer Partnerschaften darstellt, die behoben gehört. Dass er nicht auf wundersame Weise im Leib der Frau heranwächst, um deren Körper zu entstellen oder ihr die Freiheit zu nehmen, sie selbst zu sein. Und das nur weil ihr die natürliche Fähigkeit gegeben ist, ihr Baby bedarfsgerecht und gesund zu ernähren! Von ihrem Potenzial ganz zu schweigen, seelische Prozesse im Kind hervorzurufen, die untrennbar mit der natürlichen Bindung von Mutter und Kind zusammenhängen.

Damit ist freilich noch keine Ehe definiert! Aber die Grundlage dafür.

Die Ehe ist in der Tat nicht naturwüchsig. Ihr Anspruch auf lebenslange Treue entspricht nicht unbedingt der Neigung des Menschen. Sie erschöpft sich aber auch nicht in der Summe ökonomischer, seelisch-geistiger oder sexueller Übereinkünfte.

Die Ehe ist viel mehr: Sie umfasst und fordert den ganzen Menschen und verändert ihn tiefgreifend. Darin liegt eine immense Herausforderung, aber auch Schönheit und Größe. Sie wird sichtbar in so manch altem Ehepaar, das durch die Jahre immer deutlicher zusammengehört und sich unter vielen Runzeln auch die Lachfalten erhalten hat. Die Ehe lebt von der Liebe, die aber kein Garant dafür ist. Sie wird meist mit großem Aufwand und großen Gefühlen begonnen. Sie reichen aber nicht aus, um sie gelingen zu lassen, wie die andauernd hohen Scheidungszahlen belegen. Sie ist nicht ein für alle Mal gesetzt, sondern muss immer aufs Neue bestätigt werden, und sie erfordert eine permanente Umwandlung der einzelnen Ehepartner zu einer neuen Existenzform, bei der die grundlegende Andersartigkeit der beiden der Stimulus ist.

Das Geheimnis der Ehe liegt in der Tat darin, dass aus zwei Personen EINE neue Person entsteht, die es vorher nicht gab, und die die beiden andern weder ersetzt noch auslöscht. Damit diese Eheperson wirklich ins Leben kommt, etwas bewegen kann und Ausstrahlung bekommt, braucht es von beiden Ehepartnern die Bereitschaft zur Hingabe. Zum Beispiel, indem sie einwilligen, nicht mehr allein über ihr Leben zu bestimmen, und zwar weder der Mann noch die Frau.

Ich bin überzeugt, dass auch wir Christen grundsätzlich neu über die Ehe nachdenken müssen. Nur wird eine Neudefinition, die sich an einer vermeintlichen „Lebensrealität“ orientiert, eher schaden als nützen. Soll die Ehe eine Zukunft haben, muss ihre Reform zurück zu den Wurzeln gehen, ganz an den Anfang! Denn die Ehe ist eine Lebens­ordnung der ersten Stunde der Menschheit.

Das für mich ausdrucksstärkste Bild für die Ehe hat der Soziologe Eugen Rosenstock-Huessey gezeichnet: das Bild eines mächtigen steinernen Torbogens. Die Pfeiler dieses Bogens bilden Mann und Frau, die jeweils mit dem andern Geschlecht Frieden geschlossen haben und über eine himmlische Brücke untrennbar verbunden sind. Unter diesem Bogen und zwischen den beiden Pfeilern entsteht ein Raum – kein Raum allerdings, in dem man sich einrichten kann, sondern an dem man kurz verweilt und dann hindurchgeht. Diesen Raum durchschreiten die Kinder, die durch den Friedensbogen hindurch in ihre eigene Zukunft gehen.

Allein durch die Tatsache, dass Vater und Mutter verheiratet sind, geben sie ihren Kindern ein besonderes Erbe mit: den Glauben an etwas Höheres als sich selbst, an etwas Dauerhaftes, an den Sinn der Treue und an die eigene Liebesfähigkeit. Auf diese Weise wird die Ehe als Friedensbogen zwischen den Geschlechtern zu einer Brücke in die nächste Generation. Darin ist sie durch nichts zu ersetzen.

Deine Daniela

 

(Mit freundlicher Genehmigung der Offensive junger Christen, www.ojc.de )