…von Kurt Tucholsky und Birgit Kelle:
Mutterns Hände
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht …
alles mit deine Hände.
Hast de Milch zujedeckt,
uns Bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragen –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält …
alles mit deine Hände.
Hast uns manches Mal
bei jroßen Schkandal
auch ’n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Sticker acht,
sechse sind noch am Leben …
Alles mit deine Hände.
Heiß warn se un kalt.
Nu sind se alt.
Nu bist du bald am Ende.
Da stehn wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.
(Von Kurt Tucholsky aus „Arbeiter Illustrierte Zeitung“, 1929)
„Das Muttertier“
Wir sind da. Wir waren schon immer.
Und wir werden auch dann noch sein, wenn die letzte kinderlose Emanzipationsbewegte sich ihr selbstdefiniertes Gender-Geschlecht auf den Grabstein hat gravieren lassen……..
Früher legten wir Karrieren auf Eis, um Kinder zu bekommen. Heute sollen wir unsere Eizellen auf Eis legen, um Karriere zu machen. Um unsere besten Jahre der Fima statt unseren Familien zu schenken. „Social Freezing“ heißt der Trend aus den USA, und „soziales Einfrieren“ ist in der Tat eine gute Übersetzung dafür. Denn wir sollen nicht nur die Eizellen einfrieren, sondern auch den Kinderwunsch, die Sehnsucht nach Beziehung und die Zeit für Familie. Dafür bezahlen sie uns die Lagerung unserer Eizellen in Tiefkühlfächern. Danke auch! ……..
Was früher als Schicksal angenommen wurde, muss heute wohlüberlegt sein. Man kann ja nicht so einfach dann Kinder bekommen, wenn sie kommen – wo kommen wir denn da hin?……..
Wir sollen immer noch Mütter werden. Aber um Himmelswillen nicht zu viel Zeit darauf verschwenden. Es könnte uns ja gefallen. Wir könnten auf den Geschmack kommen und uns böswilligerweise vom Arbeitsmarkt fernhalten. Die Selbstverständlichkeiten des Mutterseins ging verloren, seit wir in den Feuilletons statt in den Wohnküchen unsere frauenleben diskutieren………..
Da wollen sie neu sein und rennen doch immer noch erbsenzählend den Männern hinterher, vergleichen eifersüchtig Macht und Posten. Kultivieren einen maskulinen Feminismus und merken es nicht einmal. Es hat schon eine ganz besondere Ironie, dass man mir männliche Karriere anbietet, damit ich mich als Frau darin verwirklichen kann. Aber was bitte soll weiblich ein, dass wir nun das Leben von Männern führen dürfen?……….
Die Feministinnen wollen uns befreien aus den Fängen der Männer und der Kinder und schicken uns auf den Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft will uns vor allen Dingen von unseren Kindern befreien, denn sie braucht unsere fleißigen Händchen, jetzt, da durch den demografischen Wandel die Fachkräfte knapp werden – und da stehen die Blagen einfach im Weg rum. Was sollen wir unsere guten Uniabschlüsse beim Kochen am heimischen Herd vergeuden, wenn man doch genausogut eine Dienstleistung daraus machen kann, dass Kinder in Kitas großgezogen werden und Essen aus Großküchen geliefert wird. Husch, husch, ins Büro mit dir…!
(Aus „Das Muttertier“ von Birgit Kelle, 2017)