PETRA-Studie: Offener Brief an Familienministerin Schwesig

Prof. Dr. Gerhard Amendt
Vormals Institut für Geschlechter und Generationenforschung
Universität Bremen

Wien, 28. September 2016

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Schwesig,

mit der PETRA-Studie möchten Sie eine „eine empirische Grundlage dafür (..) schaffen,
Umgangsregelungen nach Trennung stärker am Wohl und an den Bedürfnissen
von Kindern anzupassen und Belastungen zu vermindern.“
Gegen diese Forschung gibt es Beschwerden, die Ihnen zugetragen wurden. Erfahrungsgemäß
kommen die vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter oder
ähnlichen Organisationen, die von Ihrem Hause finanziert werden und in einem Verhältnis
der Abhängigkeit und faktischen Weisungsgebundenheit stehen. Dass Sie bereit
sind, das Forschungsdesign im Sinne der Beschwerdeführerinnen zu verändern,
legt die Vermutung nahe, dass Sie die Tradition Ihres Hauses fortsetzen, Forschung
zu unterbinden, die zur Humanisierung von Trennung beitragen kann.

Das BMFSFJ hat eine bemerkenswerte Geschichte, Forschung zu vereiteln, die die
Realität von Partnerschaften und Familien abbilden kann. Dazu zählt auch der Bereich
von Gewalt in der Trennungsphase. Die erste Studie dazu, die Bremer Scheidungsväterstudie
wurde deshalb nicht vom BMFSFJ finanziert, sondern vom Stifterverband
für Deutsche Wissenschaft.

Sehr zu unserer damaligen Überraschung hat die Bremer Scheidungsväterstudie annähernd
gleiche Gewalthäufigkeiten von Männern und Frauen in ca. 30% aller Trennungen
nachgewiesen. Weil das der Ideologie von gewaltfreien Frauen widersprach,
sah sich das BMFSFJ genötigt, eine eigene Studie zur Gewalt gegen Männer zu vergeben.
Auch die Studie von 2004 hatte den entscheidenden Haken, dass damals
schon über Manipulationen des Forschungsdesigns eine wirklichkeitsnahe Abbildung
von Gewalt blockiert werden sollte. Es waren alle Fragen untersagt, die auf Gewalttätigkeit
von Frauen hätten ein Licht werfen können. Es durften nur Gewalterfahrungen
von Männern erhoben werden, die sich außerhalb der häuslichen vier Wände ereigneten.
Gewalt von Frauen blieb damit draußen vor! So lässt sich Gewalt nicht ernsthaft
bekämpfen. Die Studie war deshalb familienfeindlich, denn sie begünstigte Gewalt
in Partnerschaften – es war ein Beitrag zu deren Verstetigung.

Dem BMFSFJ ist der schwere Vorwurf zu machen, dass auch die Pearl-Studie nicht
ernstlich daran interessiert ist, Scheidungen für Kinder weniger belastend zu gestalten.
Vor allem soll das Wechselmodell totgeschwiegen werden, dass in Ländern wie
den USA, Schweden und Kanada sich durchsetzt. Dass das Ministerium die Kritik
seines eigenen wissenschaftlichen Beirats übergeht, ist vielsagend.

Ich fordere Sie auf, die Zensur der PETRA-Studie zu unterbinden, damit es um die
Humanisierung der Scheidung für Kinder geht und nicht um die Zementierung altmodischer
Vorurteile in ihrem Haus. Diese sind ein ernst zu nehmendes Hindernis für
eine konfliktlösende Familienpolitik.

gez. Gerhard Amendt