(Wir haben vor einiger Zeit einen Artikel über den Themenkomplex „Kinder“ verfasst /1/. Der nun folgende Text über das „Kindeswohl“ war längst überfällig, hier ist er. Autor ist Agenser und Verfahrensbeistand bei Gericht)
Autor: Horst Schmeil
Ein kluger Richter äußerte einmal, dass im Kindschaftsrecht der Begriff „Liebe“ nicht vorkommt. Ist das der Grund, weshalb der Begriff „Kindeswohl“ als ein Rechtsbegriff nicht definiert werden kann? Es werden alle möglichen Kriterien herangezogen, die objektiv messbar sein sollen, um den Begriff des Kindeswohls zu einer gerichtlichen Entscheidung messbar zu machen: Kontinuität, Bindungstoleranz, Förderkompetenzen, usw. Bisher hat es sich als schwierig erwiesen, die Themen „Kindeswohl“ und „Elternliebe“ in einen Zusammenhang zu bringen. Warum?
Unbestimmter Rechtsbegriff: Kindeswohl
All diese Kriterien werden in Gutachten und Beschlussbegründungen für eine scheinbar objektive Entscheidung herangezogen und bis zur Unkenntlichkeit gedehnt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen: das Beste für das Kind im Konfliktfall einer Elterntrennung. Mit all diesen Kriterien wird das Kind zum Objekt erklärt. Es hat keine Subjektstellung, solange das Kriterium Liebe nicht mit einbezogen wird. Das Kind wird damit von seiner Persönlichkeitsentwicklung abgespalten. Nur auf diese Weise könnte nach scheinbar messbaren Ergebnissen die “ Lufthoheit über den Kinderbetten“ (Olaf Scholz) durch den Staat – entgegen des natürlichen Rechts auf Pflege und Erziehung durch die leiblichen Eltern – gerechtfertigt werden.
Wie in der Liebe von Mann und Frau ist der Begriff „Liebe“ ein ebenso unbestimmter Begriff wie das „Kindeswohl“ im Kindschaftsrecht. Liebe nimmt einen geliebten Menschen – sei es den Partner oder das Kind – als Subjekt an. Dennoch kann der Liebescharakter sehr unterschiedlich sein, in jedem Fall sind sie umfassend und nicht zu messen. Das mag einer der Gründe sein, weshalb der Begriff „Liebe“ im Kindschaftsrecht keinen Platz gefunden hat.
In keinem der mir bisher vorgelegten Gutachten ist dieser Begriff jemals aufgetreten, geschweige denn als Entscheidungskriterium bei Gerichtsbeschlüssen bis hin zum BVerfG herangezogen worden. Immer waren es Kriterien, die das Kind zum Objekt herabstuften, und auf diese Weise als Spielball zwischen den gegensätzlichen Interessen zerrieb.
Liebe ist nicht „messbar“
Im Regelfall wird ein Kind im Glauben an eine Zukunft mit großer Hoffnung in Liebe geboren. Glaube, Hoffnung und – besonders die Liebe – sind (lt. Bibel) die tragenden Säulen menschlichen Zusammenlebens. Mit dem normierten Kindschaftsrecht aus dem Jahr 1998 fehlt in jedem Fall das wichtigste Kriterium: die Liebe. Sie kann nur zwischen Eltern und Kindern – genetisch bedingt – wirken.
Mit der Geburt des eigenen Kindes wird ein großer Teil von Freiheit der eigenen Interessen für das große Ziel der sicheren Zukunftsgestaltung verändert. Bewusst schreibe ich hier nicht, dass die eigenen Interessen aufgegeben werden, weil diese einen Menschen prägen und sie als subjektive Angebote an das Kind weitergegeben werden. Die genetisch festgelegten und durch Erfahrungen angefüllten Genome werden mit Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten an die nächste Generation weitergegeben, aber nur wenn sie selbst erlebt wurden.
Es wäre wünschenswert, wenn obige Voraussetzungen auch auf die Professionellen in den Ämtern übertragen werden könnten. Sie müssen in Konflikt- und Unsicherheitsperioden von Familien(mitgliedern) in das Familiengefüge eingreifen, oft ohne häufig selbst eine intakte Familie erlebt zu haben. Auch die schöpferische und routinierte Arbeitswelt und deren Anforderungen der Eltern aus deren Berufs- und Familienleben wären Voraussetzung für eine professionelle Beratung. Professor Jopt bezeichnet die „Professionellen“ deshalb – ein wenig gewagt – als „gutwillige Laien“. Sie versuchen aufgrund von angelernten theoretischen Versatzstücken, die Lebenswirklichkeit der ihnen anvertrauten Familien häufig nach ihren eigenen Zielen anzupassen. Das kann nicht immer den gewünschten Erfolg zeitigen.
Notlösungen……..
Der Begriff „Liebe“ findet keine Beachtung in gerichtlichen Entscheidungen. Was liegt dann vor zur Beurteilung der Lebensverhältnisse des Kindes durch Professionelle vor? Es sind nur Rahmenbedingungen für eine kindgerechte Pflege und Erziehung darstellen können. Sie sind so zu sagen „unbeseelt“, es sind äußerliche Voraussetzungen, die mit dem erfüllt werden können, was das Kind braucht, um in einer gesunden Umwelt aufwachsen zu können. Ob diese Voraussetzungen für das Kind ausreichen, sich zu einem glücklichen Menschen zu entwickeln, hängt davon ab, ob das Kind – trotz Elterntrennung – von beiden Eltern geliebt wird und es so als Subjekt behandelt wird.
In der UN-Kinderrechtskommission ist der Begriff „die besten Interessen des Kindes“, die für den deutschen, unbestimmten Rechtsbegriff „Kindeswohl“ steht. Gerade diese Unsicherheit führt häufig zum Streit der Eltern, und zur Grundlage materieller Entscheidungen für Juristen und andere Streitbegleiter in familiären Konfliktsituationen. Das Ergebnis sind ca. 200.000 Kinder, die von einem liebenden Elternteil jährlich durch Gerichtsentscheide von Elternteilen ferngehalten werden. Das sind fast 500 pro gerichtlichen Arbeitstag /2/.
Da sich bei derartigen Entscheidungen nachweislich /3/ die Genetik der Kinder und der Eltern negativ verändert und diese Veränderung in die nächsten Generationen weitergetragen werden kann, tickt in unserer Gesellschaft eine Zeitbombe: Warum ? Es fehlt die Liebe, die nur dann gelebt werden kann, wenn sie selbst erlebt wurde und die sich dann gleichermassen in den Genen festgeschrieben hat. Nur durch die Vorbilder von Mutter und Vater ist es möglich, dass auf die Kinder übertragene Liebe erlebt, aufgesogen und festgeschrieben wird, und so auf die nächste Generation weiter gegeben werden kann.
Deshalb ist es wichtig, dass die unterschiedlichen Formen, die auch durch die Unterschiede im Verhalten von Mutter und Vater gegeben sind, dem Kind erhalten werden, wenn sich die Eltern trennen. Mann und Frau, Mutter und Vater können sich trennen, jedoch nicht von ihren Kindern. Elternteil bleibt man sein gesamtes Leben lang, als Garantie für die Kinder, die die Ahnenreihe fortsetzen. Nur wenn die übertragenen Familienerfahrungen die Grundlage für die Kernzelle der Gesellschaft als gestaltende Kraft be- und geachtet werden, stellt die Kernzelle einer Gesellschaft – die Familie – sicher, dass die gesamte Gesellschaft erhalten bleibt.
Gesellschaften, in denen die Familie zur Kernzelle im Verständnis aller erklärt und gelebt wird, kann sich diese Gesellschaft erhalten, wie z.B. in der jüdischen oder chinesischen Gesellschaft Gesellschaften, in denen die Familien zerstört werden, wo also keine Liebe als unsichtbares Band die Familie zusammenhält, zerfallen, wie z.B. das römische Reich.
Kinderrechte ins Grundgesetz?
Die derzeitige Diskussion kreist auch um die Frage ob die Aufnahme von Grundrechten der Kinder in das Grundgesetz erfolgen soll. Die politische Gruppe, die das bewirken will, hat dafür bewusst das seelische Kindeswohl, d.h. die Liebe zwischen Eltern und Kindern, ausgeschlossen. Das Kind wird auf diese Weise zum Objekt von Fremdinteressen abgewertet und zum manipulierbarem Werkzeug von Interessengruppen.
Zusammenfassend bleibt zu befürchten, dass Das sogenannte „Kindeswohl“ auch zukünftig zum Spielball und damit zum Objekt familienferner Interessen degradiert.
Hinweise
/1/https://agensev.de/kinder-opfer-einer-selbstbestimmten-gesellschaft/
/2/ https://agensev.de/trennungskinder/
/3/ Institut für Sozialpädiatrie, TU Wildau, Prof.Beyerlein
Horst Schmeil, Spaldingsplatz 7, 18273 Güstrow Güstrow, 02.01.2019
Antwort auf den Kommentar von Gert Bollmann, Sorgerechtsapartheit.de
Hallo, Gert,
zuerst ein erfolgreiches und gesundes Jahr 2019!
Mir wurde vom Vorstand des Vereins Agens e.V. Dein Kommentar auf meinen Essay zu: „Kindeswohl ist gelebte Elternliebe“ zugesandt, was mich veranlasst hat, nahezu unverzüglich auf Deine hervorragende Kommentierung ein paar Gedanken zu äußern.
Von meiner Seite gibt es keinen Widerspruch zu Deiner Ausführung, auch, wenn Du meine Sicht für sehr idealistisch erkennst, die vermutlich von der Kinderbesitzerinnengruppe und ihrer Professionellen in Gerichtsälen und Jugendamtsräumen (usw.) in neuer Definition uns Vätern um die Ohren gehauen werden wird. Aber genau das wäre ein Zeichen dafür, dass diese von mir geäußerte Sicht dieser Gruppe mitten ins Herz stößt.
Sehen wir uns jedoch an, wie groß diese Gruppe ist und wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, der ihre Kinder liebt – wobei auch deren Fehler, so es welche sind – dann muss doch festgestellt werden, dass der weitaus größere Teil der Bevölkerung die eigenen Kinder liebt und dass diejenigen, die familienzerstörend ideologische Kampfmittel benutzen, vielfach keine Kinder haben, d.h. sich auf dieses Abenteuer zur Erhaltung der Menschheit keinerlei Beitrag geleistet haben. Genau diese kleine Gruppe versucht jedoch, das funktionierende Elternsystem zu zerstören. Die Gründe dafür sind vielfältig und bedürfen bisher nicht geleisteter wissenschaftlicher Forschung.
Sehr richtig stellst Du am Anfang Deines Kommentars dar, wie der Begriff „Liebe“ beliebig verwendet werden kann und wie er das Wesentliche zwischen Menschen verballhornt.
In meinen inzwischen fast 24 Jahren in der Beratung und Begleitung von Eltern in Trennungsprozessen mit allen Fehlern, die ich begehen konnte, bin ich zu einem alten weisen Mann geworden, der aufgrund der vielfältigen Konstellationen in der Theorie und Praxis des Familienunrechts die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben hat, dass der derzeitige Spuk aus den Gerichtssälen ausgetrieben wird.
Der Begriff „Liebe“ ist eine Lebensform, die emotionaler kaum gestaltet werden kann. Das gilt sowohl für Partner wie für Familienangehörige auf- und absteigender Genrationen und umfasst auch die Seitenlinien der Geschwister. Und genau diese Liebe wird in den Familienzerstörungsverfahren bewusst ausgeklammert, wie bei der Diskussion um die Forderung der Einfügung der Kinderrechte ins Grundgesetz von den Interessenverbänden, die die Forderung erheben, das geistige und körperliche Wohl des Kindes von ihnen einklagbar zu gestalten, jedoch das dritte Merkmal, das emotionale Kindeswohl bewusst nicht einbeziehen wollen. Damit wird die Lufthoheit über den Kinderbetten auf staatliche Institutionen übertragen und den Eltern bewusst genommen, den Kindern damit die Eltern.
Die Macher dieser menschenverachtenden Familienzerstörungspolitik ist immer noch eine Minderheit, der Grenzen gesetzt werden können und müssen – sobald wie möglich! Denn wer die Kinder hat, hat die Zukunft des Landes. Diese Erkenntnis haben bereits zwei Diktaturen in Deutschland im vergangenen Jahrhundert erfolgreich durchexerziert. Nun soll nach diesem Muster – wie Du richtig schreibst, ein dritter Versuch dazu unternommen werden. Hiergegen muss mit aller Kraft und eigenen Definitionen ein neues Verständnis entwickelt werden, dass die Familie wieder als Kernzelle der Gesellschaft definiert und lebt. Der Phönix muss wieder einmal aus der Asche aufsteigen!
Wer sich in die Niederungen des Kindschaftsrechts begibt, sieht vielfach nur noch die Auswüchse der vielfach kriminellen Praxis des geltenden Familienrechts. Er begibt sich mit seinem gesamten Leben damit in eine Nische, die vielen den Blick des Adlers dem Wappewtier Deutschlands, aus großer Höhe versperrt hat. Er sieht nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung, die dieses Familienzerstörungssystem nicht mehr will, auch, wenn es einigen Gruppen in Trennungssituationen Vorteile bringt, die sie ergreifen. Geplant war es zu Beginn einer Beziehung und der damit entstehenden Familie in den meisten Fällen nicht, der Wunsch war das Miteinander und die Weitergabe der eigenen Qualitäten an die nachfolgende Generation.
So kann auch Deine Forderung nach Gleichwertigkeit der Eltern nur immer wieder von uns eingefordert werden, d.h. wir haben sie durch das Grundgesetz als natürliches Recht mit der Verpflichtung, die elterliche Verantwortung für unsere Kinder zu tragen, was, wie das Bundesverfassungsgericht mitteilte (1. Leitsatz der Pressemitteilung am 01.04.2008 zum Beschluss 1 BvR 1620/04) mit den natürlichen Rechten der Kinder korrespondiert. Hier ist anzusetzen, um eine Gleichwertigkeit der Eltern zu erreichen. Haben wir das erreicht, darf auch der Begriff Liebe wieder dahingehend definiert und gelebt werden, dass wir ihn inhaltsreich unseren Kindern vermitteln können und dürfen.
Es ist mein Wunsch, dass unsere Vereine – Sorgerechtsapartheit.de sowie Gleichmaß Nordost e.V., Phönix V.o.G, Kinderkammer (als Nachfolgeorganisation des Verbandes Anwalt des Kindes und auch AGENS e.V. zusammenarbeiten, um unseren Kindern eine Zukunft zu bieten.
Herzlichst
Horst Schmeil
Von „All you need is love“ bis „Ich liebe – Ich liebe doch alle – alle Menschen – Na ich liebe doch – Ich setzte mich doch dafür ein.“ habe ich schon viel gehört und gelesen.
Mal mit, mal ohne Haschischschwaden vor’m geistigen Auge.
Jetzt wird gar der unbestimmte Rechtsbegriff vom Kindeswohl mit dem der nichtmessbaren Elternliebe in Verbindung gebracht und erklärt.
Das ist so mutig, wie unangeseilt an das Ende der Welt zu gehen, wenn diese eine Scheibe wäre.
Der manifesten deutschen Familienunrechtspraxis mit Liebe zu begegnen dürfte der Zunahme der staatlich forcierten Vaterlosigkeit und Familienzerstörung eher förderlich sein.
Für die Lebensform der Juristen und der sie an den Familiengerichten umschwirrenden selbsternannten professionellen Schwätzer ist es eine leichte rabulistische Übung den geldwerten Kindeswohlbegriff durch den der elterlichen Liebe auszutauschen,weil sie weiterhin die Deutungshoheit über den Zugriff auf die Beute Kind beanspruchen.
Zum dritten Mal binnen weniger Jahrzehnte greift eine staatstragende Ideologie nach der nachwachsenden Generation indem sie eine Familienpolitik der Zerstörung praktiziert und als Mittel zum Machterhalt einsetzt. Auf der Agenda des Kindesmissbrauchs steht die Elternentehrung obenan.
Die parteiübergreifenden, familienfeindlichen Erfolge des Aufeinanderhetzens der Geschlechter offenbarte nicht zuletzt die Debatte zum Wechselmodell im Bundestag vom 15.März 2018 (Für den 13.Februar 2019 ist im Rechtsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Thema geplant.).
Die Kindeseigentümerinnen-Lobby wird zeigen was sie unter den Begriff Liebe versteht…und die verweiblichte Justiz wird weiterhin (un-)abhängig und mainstreamkonform beihelfend wirken.
Ich meine, wer Elternliebe in Gerichtsverfahren einbringen will muss zuvörderst die Gleichwertigkeit der Eltern sichern statt verträumt mit dem Ruf nach Liebe die Reste einer rechtstaatlichen Familiengerichtspraxis endgültig in Sumpf und Morast von Rechtsbrüchen und ideologischen Geblubber versinken zu lassen.
„Kindeswohl ist gelebte Elternliebe.“
Das mag die ideale Konstellation, die nicht die Regel ist, sein.
Für Liebesträume, für gelebte Elternliebe nach einer Trennung als Paar, ist Zeit, sobald Vater und Mutter als gleichberechtigte Elternteile Pflege und Erziehung der Kinder zuvörderst wahrnehmen, ohne einseitige mütterliche Besserstellung, ohne das Dritten Zugriffsrechte durch Grundgesetzänderungen, der Installierung vermeintlicher Sonderkinderrechte, ermöglicht werden.
Gert Bollmann
http://www.sorgerechtapartheid.de