„Kinder sind die Sehnsucht des Lebens nach sich selber…“ (K. Gibran)
……..wunderbare Worte einer längst vergangenen Selbstverständlichkeit. Erst seit einigen Jahrzehnten wird über das Kinderkriegen diskutiert, obwohl es zur Natur des Menschen gehört, so wie Essen und Trinken. So antwortete ich auch meinem Sohn, als er mich vor seiner Eheschließung fragte, warum seine Mutter und ich denn Kinder haben wollten. Ich setzte noch hinzu, Kinder sind ein Geschenk, für uns Christen ein Geschenk Gottes. Diese Erkenntnis gerät für viele Paare zunehmend in den Hintergrund. Das Thema „Kinder“ ist in der Politik und in den Medien angekommen.
Kinder: Eltern ändern ihre Prioritäten
Was ist passiert? Das Ursprüngliche des Kinderkriegens wird in den letzten Jahren überlagert durch gesellschaftliche Trends, Zwänge und Entwicklungen. Es sind dies beispielsweise die gesellschaftspolitischen Diskurse über die Rollen des „Vater-Seins“ und des „Mutter-Seins“, sowie der Familie und….. des Staates. Die wachsende individuelle Selbstbestimmtheit und die daraus folgende Work-Life Debatte (Stichwort: Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie) schwächt natürlicherweise in ihren Auswirkungen den Fokus der Eltern auf ihre Kinder. Kinder werden zu wehrlosen und würdelosen Objekten.
Unbewusst bekommen Kinder die Gespräche ihrer Eltern über das alltägliche Zeitmanagement mit. Diese Gespräche vermitteln Kleinkindern nicht unbedingt Sicherheit, sind doch Eltern für Kinder so eine Art „Biotop“ für ihr Sich-fallen-lassen. Dieses kleine Universum der Familie gibt den Kindern Sicherheit, sich in der Welt zu bewegen. Vor allem in den ersten 2 bis 3 Jahren der Kindheit, in denen die Grundlagen, so die Ergebnisse der Bindungsforschung, für Vertrauen und Empathie gelegt werden.
Gefühlswerte können Eltern vor dem Hintergrund stabiler, eigens gewonnener Identitäten weitergeben. Dies geschieht größtenteils durch Vorleben. Dazu schreibt der Rabbiner Dosick: „Kinder beobachten uns und sammeln dabei Verhaltensmuster, Prinzipien und Maßstäbe. Selbst wenn es ihnen nicht bewusst ist, vermitteln Eltern also Werte und Maßstäbe durch ihr Verhalten und ihr Vorbild, ihre Haltung und durch die Antworten, die sie auf Kinderfragen geben. Kinder eignen sich Verhaltensweisen und Fähigkeiten ihrer Mitmenschen an, indem sie übernehmen, was ihnen vorgelebt wird.“
Der meist genannte Wunsch von Kindern an die Eltern ist heutzutage „Zeit“! Zeit für Kinder wird heute knapper, das optimale Management externer Zwänge verbraucht einen Gutteil an Zeit für Vater und Mutter.
Kinder werden zum Objekt der Lebensentwürfe Erwachsener.
Im alten Koalitionsvertrag der Bundesregierung stand sinngemäß zu lesen: Kinder dürfen „keinen Nachteil für die Gleichstellung der Frau bedeuten“. Da trifft Ideologie auf den immer (noch) vorhandenen Wunsch der Frau nach Kindern. Eine Selbstverwirklichung der Mutter ist eigentlich nur durch Arbeitsteilung in der Familie möglich, realiter durch Arbeitsübernahme einzelner Tätigkeiten der Mutter durch den Vater. Das tun sie denn auch – nicht immer aus eigenem Antrieb.
Und die Kinder? Kinder als „Kollateralschaden“ einer emanzipatorischen Gesellschaft? Diesen alltäglichen Spagat ihrer Eltern bekommen die betroffenen Kinder natürlich mit und können solchen Stress – besonders als Kleinkinder – kaum verarbeiten. Häufig geben sie den Frust, zweite Priorität zu sein, unbewusst an ihre Mitmenschen weiter, hoffentlich nicht ihr ganzes Leben. Die negativen Folgen der neuen Arbeitsteilungen entwickeln sich allmählich zu einem Tabuthema und zu einer seltsamen Schönfärberei: „Kinder sind glücklich, wenn Mami eine Arbeitsstelle hat“, so hieß es kürzlich in einer überregionalen Tageszeitung. Dennoch, positiv geshen, die jungen Väter haben so die Chance, für sich selber UND ihren Kindern den Praxistest „Familie leben“ zu gestalten und zu erleben.
Die heutige notwendige Mobilität der berufstätigen Mutter und des berufstätigen Vaters und die dadurch immer später werdende Zeit für das erste Kind bringen es mit sich, dass eine klassische Werteprägung für ihre Kinder wegfällt: die der Großeltern – entweder aus biologischen Gründen oder wegen der größeren Entfernungen der Wohnorte. Über die Hälfte junger Erwachsenen bestätigten in einer Umfrage den prägenden Einfluss ihrer der Großeltern auf ihr Wertebild.
Kinder als Probanden für pädagogische Ideologien
Neue Geschlechtertheorien beeinflussen derzeitig die Pädagogik. Die Rede ist von der emanzipatorischen Sexualkunde, die die klassische Rolle der „Mutter“ als diskriminierend und Männlichkeit als ein Phänomen von vorgestern ansieht. Ein jüngerer Schulpsychologe erzählte mir neulich: „….. die starren Bilder Mann – Frau sind out. Sie benachteiligen die Kinder, die diese starren Rollenbilder nicht erreichen können. Wir müssen in der Schule eine ganze Bandbreite von Rollenbildern bis hin zu homosexuellen anbieten. So können sich Kinder selber entscheiden, welches Rollenbild sie annehmen“.
Wie bitte? Wie soll denn ein (Klein-) Kind seine geschlechtliche Identität in einem Umfeld von lauter Vätern und Müttern bestimmen können? Diese, in vielen Bundesländern bereits praktizierte emanzipatorische Sexualpädagogik, betrachtet bereits Kleinkinder als entscheidungsfähige Individuen, über ihre eigenen sexuelle Identität selber „entscheiden“ zu können. Kinder lernen in solchen Unterrichtsstunden Toleranz als „alles wollen können“ und die Akzeptanz sexueller Lebensweisen andersartiger Minderheiten mit einem Praxisteil.
Begleitet wir diese Sexualpädagogik durch den Unterrichtsstoff „Gendergerechte Sprache“. Konkret bedeutet das für die Schulbücher die konsequente Mitnennung des weiblichen Geschlechts („Schüler und Schülerinnen“, oder „SchülerInnen“, oder im Satz: „Eine/r ist Zuhörer/in, der/die andere Vorleser/in). Bisher hat sich nur der österreichische Elternverband gegen diese Sprachverhunzung gewehrt. Er betont die Probleme dieser Kunstsprache beim Erlernen und Verstehen von Sprache auf der Grundschule, bzw. bei Kindern von Migranten.
Kinder ein Störfaktor?
Man hat häufig den Eindruck, dass Kinder von ihren Eltern, von Nachbarn und von Hotelgästen als Störfaktoren erlebt werden. Damit geraten Kinder in die gleiche Wertekategorie, pardon, wie Hunde. Was ist das für eine Gesellschaft, die die das Schicksal herrenloser Hunde mehr im Fokus hat als beispielsweise das Schicksal von Scheidungs-kindern?
Kinder als Opfer staatlicher Fürsorge? Es gibt Experten, die wagen die Behauptung, dass ein Kleinkind mit seiner rauchenden Mutter am Fernseher mehr Sicherheit und Wärme vermittelt, als eine Krippe mit einer Erzieherin für mehrere Kinder…. Und noch etwas politisch Inkorrektes: Die Forderung „Bildung statt Bindung“ unterstützt den größer werdenden Trend zum Outsourcen ehemals familiärer Aufgaben, zudem bestärkt durch Analysen mit zunehmenden Prozentzahlen für „Kinder in bedrohter Armut“.
Stiefkinder der Scheidungsgesellschaft
Lernen sich ältere Kinder heute kennen, ist häufig einer der ersten Frage: „Sind Deine Eltern noch zusammen?“ Die Zahl der jährlich neuen Scheidungskinder liegt derzeit bei fast 150 000, das sind über 500 Kinder jeden gerichtlichen Arbeitstag. Unvorstellbar! Dieses Phänomen scheint immer noch ein Tabu zu sein. Die Scheidungskinder leben größtenteils bei ihren Müttern, meist mit erschwertem oder verhindertem Zugang zu ihrem Vater. Allererste Analysen zeigen eine markant erhöhte Anfälligkeit dieser Kinder für seelische Erkrankungen. Hat sich je ein Mensch je Sorgen gemacht um die Spätfolgen dieser vaterlosen Kinder? So wird das „Kindeswohl“ bei den richterlichen Entscheidungen zu einer Farce, weil diese realiter für die betroffenen Kinder immer eine Trennung von einem Elternteil bedeutet.
Gehen getrennte Eltern eine neue Partnerschaft ein, werden Kinder in diese gleichsam hineingeworfen. Sie werden bei der Neugründung von solchen Flickwerk- („Patchwork-„) Familien kaum mit einbezogen. Kinder müssen dabei doppelt Leid ertragen: Erst durch die Trennung ihrer eigentlichen Eltern und dann werden sie – nolens volens – von jetzt auf gleich Stiefkinder.
Kinder als Botschafter
Die UNICEF hat vor einiger Zeit sogenannte „UNICEF Junior-Botschafter für Kinderrechte“ ernannt. Sie sollen, wie es der Deutsche Kinderschutzbund seit Jahren betreibt, für Kinderrechte im Grundgesetz eintreten. In einem Land ohne Verfassung mag das Sinn machen. Aber in jeder Landesverfassung sind die Menschenrechte niedergelegt und die Rechte der Kinder, vertreten durch ihre Eltern. Wozu also dieser Popanz? Er soll schlicht die Entrechtung der Familie vorantreiben und die „Lufthoheit“ des Staates auf die Familie sichern.
Inzwischen gibt es auch noch Kinder als Botschafter für den Klimaschutz oder für das Energiesparen. Das Infame bei diesem Botschafterunwesen ist: Kinder werden für die Interessen der Erwachsenen instrumentalisiert, nach dem Motto der „Kindermund spricht die Wahrheit“. Die Millionen anderer Kinder haben davon überhaupt nichts. Kinder als Kontrollinstanz für die Erwachsenen ? Welch absurdes Verständnis von Kindern in der Erwachsenenwelt und im Miteinander der Generationen!
Aber: Kinder bringen uns zur Umkehr….
Diese Entwicklung zu nicht gerade kinderfreundlichen Gesellschaft ist bei genauerem Hinschauen unfassbar. Hunde müssen inzwischen als Kinderersatz herhalten, es gibt „kinderfreie Hotels“, und wenn sie der elterlichen Lebensplanung entgegenstehen, werden viele Kinder vermeintlich(!) alternativlos unter staatlicher Fürsorge gestellt.
Dennoch: Ich bin hoffnungsfroh. Kinder zeigen uns unsere verloren gegangene Ursprünglichkeit. Das fröhliche Strampeln der Babybeine beim Windelwechseln, das übermütige Lachen meines Sohnes, was regelmäßig zu einem Schluckauf führte, das volle Zutrauen meiner Tochter beim Fallenlassen in die Arme des Vaters, das begeisterte Entdecken einer kleinen Gänseblume zwischen Pflastersteinen, die immer wiederkehrenden „Warum“ Fragen, das Entdecken der Welt mit Kinderaugen, das fröhliche Gewusel auf einem Kindergeburtstag. Das Alles schenkt uns Erwachsenen eine andere, eine kindliche Wahrnehmung der Welt. Das bereichert und lehrt uns Zeit zu finden.
Kinderherzen zeigen uns den Weg zu uns selber….. Der Gegenwartsphilosoph Peter Sloterdijk meinte: „Ohne meine Tochter wäre mein Leben sinnlos“.