Ein Schüler zum Boy’s Day: „…war ein super Tag“! Und was willst Du mal werden? „Mechatroniker“ (1)
Beliebtester Berufswunsch der Mädchen nach Jahrzehnten Feminismus: …….Friseuse.
„Das werden wir ändern…“, so eine ehemalige Familienministerin
Gender life
Besser als die obigen Zitate kann die Lücke zwischen Ideologie und Realität hinsichtlich der Berufswahl nicht beschrieben werden. Zunächst zur Ideologie des Boy’s bzw. Girl’s Day ein Zitat (2):
„Die Datenlage beweist, dass die geschlechtersegregierte Berufswahl nicht nur durch Selektionsmechanismen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes, sondern auch durch kulturell verankerte Geschlechterstereotypen der jungen Frauen und Männer hervorgerufen und kontinuierlich reproduziert wird. Um dem Kreislauf der Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt zu entgehen und den Erfolg von Förderprogrammen zur stärkeren Partizipation von Jungen und Mädchen in den so genannten Männer- und Frauenberufen zu gewährleisten, dürfen neben den arbeitsmarktinternen Strukturen geschlechtsimmanente Aspekte nicht vernachlässigt werden.“
Alles klar? Das ist Gender-Theorie in Reinkultur. Die radikal-feministische Lobby will im Sinne der Gender-Theorie (nach Judith Butler) das „Männliche“ und das „Weibliche“ in ihrem Sinne gleich machen. „Gleichmachen“ bedeutet realiter „umerziehen“ (Spiegel 1/07). Was irritiert: Umerziehung ist eine alt bewährte Maßnahme von Diktaturen, die vor allem in staatlichen Bildungsanstalten stattfand. Heute liefern unzählige sog. „Genderstudies“ das methodische Rüstzeug dazu. Sie gehen von der Gleichheit männlicher und weiblicher Fähigkeiten aus, dazu muss das klassisch „Männliche“, wie auch das „Weibliche“ in Frage gestellt werden. An Stelle dessen wird eine Beliebigkeit der Rollenbilder(„Gender Diversity“) den Kindern verkündet. Dieses Vorgehen macht es der radikal-feministischen Pädagogik um so leichter, Jungens für CARE Berufe und Mädchen für männliche Berufe vorzubereiten. Gender Diversity ist erwiesenermaßen reine Theorie – ohne Bestätigung durch die Praxis. Trotzdem findet die Theorie bereits Anwendung im alltäglichen Unterricht . So wird eine Theorie auf dem Rücken der Kinder, die sich nicht wehren können, umgesetzt.
Steuerung des Berufswahlverhaltens?
Das zur Theorie, nun ein Blick in die Realität. Schon der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass es vergebliche Liebesmüh ist, das Berufswahlverhalten Jugendlicher zu beeinflussen. Dazu Prof. Lotte Rose (FH Frankfurt):
„Irgendwann verliefen die zahlreichen entsprechenden Modellprojekte der Mädchenarbeit sang- und klanglos im Sande, ohne dass die Zahl der Mädchen in technischen Berufen merklich angestiegen war“.
Das konnte das Wissenschaftszentrum Berlin auch bestätigen: (3). Es kommentierte eine entsprechende Grafik (Abb.1):
„Seit Jahrzehnten erhöht sich die Anzahl von Frauen auf dem technischen Arbeitsmarkt jedoch nur sehr schleppend – trotz zahlreicher Angebote für Mädchen, insbesondere in der Schule und bei der Berufsorientierung“. Weiter ist zu lesen: Entscheidender seien die „elterlichen Karriereerwartungen“. Budde (1) bestätigt diese Erkenntnis und führt noch ein anderes Argument durch Sozialisierung hinzu: Das Berufswahlverhalten sei entscheidend beeinflusst durch die Anerkennung in der Peer Group. Wie wenig das Berufswahlverhalten durch amtliche Lehrpläne beeinflußt werden kann, beweist schließlich Buddes Schlußerkenntnis: „Je älter die Jugendlichen werden, desto traditionellere Geschlechtermuster werden gewählt„.
Wie sieht es mit den viel geschmähten (s.o.) Markteinflüssen aus? Das Angebot /Nachfrage-Verhalten der Betroffenen spielt nach wie vor eine entscheidende Rolle. Berufsfachverbände (die Anbieter) beschweren sich häufig am Boy’s und Girl’s Day über die wenig professionelle Vermittlung und die gezielte Beeinflußung der Berufswahl durch die Gleichstellungsbeauftragtinnen vor Ort. Die Verbände besitzen natürlicherweise die größere regionale, bzw. bundesweite Kompetenz und Erfahrung über die spezifischen Leistungsprofile der Jugendlichen (die Nachfrager) und die jeweilige Angebotssituation. Aus dem Vergleich von Nachfrage und Angebot gestalten sie seit eh und je dann ihre Angebotsdarstellung und ihre weitere Ausbildungspolitik.
Der sog. „Fachkräftemangel“
Seit einiger Zeit debattieren die relevanten Verbände über den sog „Fachkräftemangel“, mit den unterschiedlichsten Aussagen. Den Vogel schoß das DIW ab. Dieses staatliche Forschungsinstitut verkündete kürzlich einen „Überhang an Ingenieuren“ in den nächsten 10 Jahren. Diese Aussage ist natürlich alles andere als hilfreich für die „Girl’s Day“ IdeologInnen, die ihr Programm „Mädchen in technische Berufe“ gerade mit dem zu erwartenden Fachkräftemangel in den Ingenieursberufen begründen. Personalmanager und Handwerksbetriebe widerum kennen ihre Verantwortung vor Ort und fühlen sich weniger beeindruckt von den Verbandsprognosen.
Und noch eins am Rande: Angenommen, das radikal-feministische Mantra „Ingenieurinnen: die Problemlösung für den Fachkräftemangel“ würde doch sinnvoll sein, dann wäre die Boy’s Day-Strategie, Jungens aus den technischen Berufen heraus zu nehmen, nicht gerade zielführend, aber ein Paradoxon (das „Fachkräfte-Paradoxon“)……
Fehlende Evaluierung
Hochinteressant ist eine letztes Jahr erschienene methodische Kritik am „Girl’s und“Boy’s Day“ von Lotte Rose in einem Vortrag zum Thema „Boy’s Day 2011“ in (4):
Soweit ich es überblicke, ist die Kampagne „Mädchen in Männerberufe“ nie konsequent, evaluiert worden. Wir wissen damit kaum etwas Solides dazu, welche Resultate die Kampagne gebracht hat, wir wissen auch wenig dazu, warum die engagierten und professionellen Projekte letztlich so wenig nachhaltige Wirkung zeigten………
Angesichts dieser ernüchternden und unklaren Bilanz zur Kampagne „Mädchen in Männerberufe“ erstaunt es doch ein wenig, dass nun voller Elan „Jungen in Frauenberufe“ ausgerufen wird und ein zweites Mal versucht wird, Jugendliche in Berufe zu manövrieren, von denen sie sich spontan eher fern halten……. Evaluationen – wenn es sie überhaupt gibt – beschränken sich auf Stimmungsabfragen zu dem Event.
Trotz dieser unklaren oder sogar fragwürdigen Bilanz zum Girl’s Day wird nun der parallele Boy’s Day ausgerufen. Dies mutet wenig planvoll und weitsichtig an, riecht vielmehr stark nach purem Aktionismus.
Da fragt man sich, weswegen in diesem Falle, die bei staatlicher Föderung allgemein übliche Projektevaluierung (beamtendeutsch: „Verwendungsnachweis“ ) nicht durchgeführt wurde. War es hier etwa eine Frage der“ political correctnes“ seitens der Verantwortlichen, nicht nach zu haken???
Männliche Distanz zu sozialen Berufen
Sehr stimmig stellt Lotte Rose dann den Boy’s Day sehr wohltuend in den Gesamtzusammenhang Jungenförderung:
Die Jungenförderung in sozialen Berufen wird weitestgehend ohne entsprechende systematische Ursachenanalysen betrieben……
Sehr viel einschlägige Forschungen hierzu gibt es noch nicht. Jedoch wird zumindest immer wieder vermutet, dass das niedrige Gehalt, das niedrige Prestige wie auch die geschlechtersymbolische Codierung der sozialen Berufe Jungen von einer entsprechenden Berufswahl abhalten. Vor diesem Hintergrund wären ganz andere Maßnahmen erforderlich, wenn man es ernst meinte mit einer Erhöhung der Männer in sozialen Berufen
Daraus leitet sie mit Recht die Frage ab:
„Neue Jungen“ statt institutionelle Veränderungen?
Die Jungen müssen anders werden, damit sie in den sozialen Frauenberuf streben, nicht der Beruf und seine Organisationen müssen anders werden……Die Fokussierung der Jungen im Kontext der Männerförderung in der Sozialen Arbeit lässt sich in gewisser Weise als Ablenkungsmanöver lesen. Es sorgt dafür, dass sich die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf die sich verweigernden männlichen Individuen richtet. Der Beruf selbst als Akteur von geschlechtsspezifischen Exklusionen und Arbeitsteilungen wird aber geschont…..
Es gilt: „…soziale Arbeit als einen Kulturraum zu begreifen und zu untersuchen, in dem durch konkrete Praxen und Rituale, Interaktions- und Selbstinszenierungsweisen, räumliche Ästhetik und organisatorische Routinen, Diskurse und Wertekodex eine Geschlechterordnung mit spezifischen Ungleichheiten organisiert wird.“
Jungen und Männer – das asoziale Geschlecht
Und da sind sie wieder, die Rollenleitbilder…..Lotte Rose hinterfragt die damit einhergehende Kritik an den klassischen Männlichkeitsbildern:
Die Kampagne zur Jungenförderung transportiert zwischen den Zeilen ein höchst negatives Bild zu Jungen: Sie orientieren sich an engen Bildern konservativ-rückständiger Männlichkeit, haben wenig Rollenflexibilität, sind nicht bereit zu sozialen und helfenden Tätigkeiten, sie sind auch nicht fähig dazu, weil sie sozial und kommunikativ inkompetent sind. Viele Projekttexte weisen immer wieder darauf hin, dass man Jungen die Möglichkeit verschaffen will, soziale Kompetenzen, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit zu erlernen und ihre Männlichkeitsvorstellungen kritisch zu reflektieren. Doch sind Jungen – und Männer – tatsächlich sozial so inkompetent wie es hingestellt wird?
Doch zu fragen ist, von welchem Standpunkt aus eigentlich die männlichen Verhaltensweisen als defizitär beurteilt werden und für Jungen eine Nachsozialisation propagiert wird. Welche Kulturstandards setzen sich hier durch, wer beansprucht hier Definitionsmacht?“
Diese Fragen lässt Lotte Rose offen. Dafür packt sie noch ein weiteres heißes Eisen an: Warum wird nicht die Beteiligung von Frauen in sozialen (!) Berufen gefordert, in denen Männer tätig sind? Die gibt es:
Zu ergänzen ist auch, dass die Klage über das mangelnde Interesse der Jungen an sozialen Tätigkeiten völlig unterschlägt, dass es sehr wohl soziale Tätigkeiten gibt, die vor allem das männliche Geschlecht übernimmt und zu übernehmen hat. Wenn wir soziale Tätigkeiten ganz allgemein verstehen als die, die anderen und dem Gemeinwohl zu Gute kommen, dann leisten Männer z.B. im Bereich der inneren Sicherheit, des Katastrophenschutzes, des Rettungsdienstes, des Militärdienstes, der Sicherung der Mobilitäts-, technischen Kommunikationsinfrastruktur und Abfall- und Abwasserentsorgung wie auch im Ehrenamt Erhebliches für das Gemeinwohl.
Und wenn man mehr Männer in den sozialen Berufsfeldern der Frauen haben möchte, müsste man konsequenterweise auch über die vermehrte Beteiligung der Frauen an den sozialen Berufsfeldern und Tätigkeiten der Männer nachdenken“.
AGENS meint:
Die fehlende Evaluierung des „Girl’s und Boy’s Day“ ist ein Fall für den Bundesrechnungshof. Nach unseren Informationen sind in das Projekt Girl’s Day in den letzten 10 Jahren mindestens 10 Millionen Euro geflossen – und das ohne nachgewiesenen „Erfolg“. Ein Erfolg hätte sein können: der Nachweis 10 Jahre Förderprogramm „Girl’s Day“ hat eine erkennbare Veränderung des Berufswahlverhaltens der Mädchen erbracht, und damit die sachgemäße Mittelverwendung bestätigt. Um so erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund die Einführung des „Boy’s Day“ in 2011…Warum ist die (ergebnislose) Förderung von Gender-Projekten solcher Art nach wie vor sakrosankt? Wo bleibt überhaupt die Evaluierung von Frauenförderprojekten der letzten Jahre in hundertfacher Millionenhöhe? Es sind immerhin Steuergelder……
(1) Budde, Jürgen: „Berufswahlverhalten von Jugendlichen“, ZES-Vortrag Berlin 2008
(2) „Neue Wege für Jungs“ Broschüre des BMFSFJ, 2008
(3) Solga, H., Phahl, L.; WZB -Brief Bildung, 2009
(4) Vortrag Prof. Lotte Rose, Fachtagung Paritätisches Bildungswerk Frankfurt, Boy’s Day 2011