Ein Lexikon für Sprachmanipulationen

Autor: Paul Hermann Gruner

Die Schärfe der Debatte nimmt zu:
– die Zahl der Schreib- und Denkanweisungen ,
– die Klagen füllen die Leserbrief-Seiten der Print-Presse,
– Moderatoren im Fernsehen verschlucken sich für die gerechte Sache  
   hochkonzentriert an der richtigen Stelle. 
Und: die Linguisten arbeiten mit großem Besteck für und wider den Genderfeminismus, die Gendergerechtigkeit, die Gender-Fluidity, die Gender-Kompetenz, die Gendersprache, die Rettung der deutschsprachigen Welt, die eine Sichtbarkeit für alles Trans- und Nicht-Binäre verspricht und den neuen geschlechtslosen Menschen mit hervorbringen, ja: mit hervorsprechen soll.

Deutschland, so viel steht fest, hat kein größeres Problem. Corona, Reichtumsgefälle, Klimawandel, Erderwärmung, Naturkatastrophen, vollkommen fehlende Endlager für Atommüll jeder Gefährdungsstufe – Pustekuchen! Wichtiger sind allemal Sternchen, Schrägstriche, Binnen-I-s, Glottisschläge, Neopronomen wie „sier“ und „xier“, innovative Wortendungen wie „ens“, nicht zuletzt „bla“ und „blub“, zwei Laute, die uns Gender-Ratgeberin Clara Lucia Rocktäschel so erklärt: „Bla ist eine Abwandlung zu blub … Dadurch wird ein Unterschied zwischen Sachen (blub) und Menschen (bla) gemacht“.

In diese ganz enorm intellektuell und abstrahiert geführte Kampfdebatte hinein veröffentlicht nun der Schweizer Fontis-Verlag (Basel) sein „irres Konversationslexikon Gender-Deutsch – Normal-Deutsch“. Über 128 kleine Seiten (Format A6, also 10 mal 15 Zentimeter) versucht das Lexikon einige jener Begrifflichkeiten und Definitionen der Kunstsprache des Gender-Deutschen in einem „normalen“ Deutsch näher zu erklären oder sie in Letzteres zu übertragen.

Das Konzept stammt von der Autorin Birgit Kelle, die bekannt ist dafür, dass sie die ideologische Qualität des gesamten Gender-Konstruktes auf sprachlich unnachahmlich kantige, dabei anmutig-intelligente Weise auseinander nimmt, also sagen wir es „modern“: didaktisch dekonstruiert. Bereits 2015 sprach Kelle vom „Sprachplanieren“ durch den Furor einer politisch unangreifbar korrekten Kampagne. Sie ist  letztendlich ein spätes, kraftvolles Echo auf die bereits seit 1984 von der Linguistin Lusie F. Pusch angeführte Attacke auf das „Deutsche als Männersprache“.

Bei all den lexikalischen Übertragungen oder Erklärungen etwa in Bezug auf „Cis-Geschlecht“, „Frauenquote“, „Gebärende Person“ (statt Mutter), „PoCs“ (People of Color), „Positive Diskriminierung“ oder „Reproduktionsarbeit“ werden selbstverständlich nicht nur semantische, sondern vor allem lebensweltlich-ideologische Positionen der feministischen Internationale abgearbeitet, nicht selten mit einem – offensichtlich ununterdrückbaren – satirischen bis sarkastischen Zug.

Wichtig aber ist bei all dem: Die Auseinandersetzung mit weltanschaulichen Positionen einer sich diffus links-feministisch-antirassistisch-antikolonialistisch verstehenden Elite in Universitäten und Medien kommt unterhaltsam-kampflustig daher. Sie ist in ihren ironischen Zuspitzungen nicht zuletzt den Kodizes einer anzustrebenden allgemeinen Verständlichkeit des sprachpolitischen Diskurses gewidmet. An Verständlichkeit für breite Kreise der Muttersprachler (die künftig „Erstsprachler“ heißen sollen) hapert es immer wieder.

Denn: Hat irgendjemand „von unten“ im deutschen Sprachraum das Gendern gefordert? Ist dies eine Bewegung vom Volke aus, aus den Reihen der Betroffenen, Diskriminierten, Verfolgten, Verachteten, Benachteiligten, scheinbar immer nur Mitgemeinten? Nee, kann man nicht so sagen. Wollen Mütter in Deutschland mit einem großen kollektiven Aufschrei lieber eine „gebärende Person“ sein, die „Menschenmilch“ gibt?

Nein, niemand hat so gerufen. Bis auf eine „Bewegung“, die das Gute will und auch weiß, was gut und nötig ist für alle anderen. Eine kleine Bewegung mit großer moralischer Bugwelle, die vom selbsternannten akademischen Olymp herab das Sprechen und damit auch das Denken in und mit unserer Sprache zwangsreformieren möchte. Und die – nebenbei – nicht nur die Sprachästhetik sowie die Sprech- und Sprachökonomie, sondern auch die Sprachlogik im Wittgenstein`schen Sinne seltsam verantwortungslos-fröhlich außer Kraft setzt.

Nur eins herausgegriffen: Die niedliche Praxis, durch Partizipialformen das scheinbar diskriminierende generische Maskulinum abzuschaffen, ist oberflächlicher Humbug – man verziehe mir die Härte des Begriffs. Aber einStudierender ist nunmal nur beim Studieren einer. Wenn er danach etwas isst, ist er ein Essender, und bei der Siesta danach ist er ein Schlummernder. Nur Student oder Studentin sind die korrekte Ausbildungsbezeichnung. Und Fallen sind noch mehr aufgestellt: Das Äquivalent zum Uni-Studenten müsste ein An-der-Uni-Studierender sein. Ein Uni-Studierender nämlich wäre eine Person, die die Uni studiert.

Wie gesagt: Sprachlogik torpediert gnadenlos den Möchtegern-Impuls derer, die eine alle inkludierende Sprache für den geschlechtlich fluiden Menschen fantasieren. Wesentliche Teile der Gender-Sprache sind zudem das Gegenteil dessen, was sie vorgeben: nämlich eiskalt servierte Missachtungen des tatsächlichen Menschseins und der Skala seiner identitären Empfindungen. Aber – mein Gott/meine Göttin: Was kann man von ideologisch codierten Experimenten und einem zwangsbeglückenden Sprachregime anderes erwarten?

Und ein kleines Lexikon reicht natürlich niemals. Weil die Like-Society in der LGBTQI+-Community in schnellster Folge so viele Neologismen, Neubewertungen und endlich gerechte Sprech- und Schreibimperative für alle produziert, dass die Bände 2 und 3 eigentlich schon in der Planung sein sollten. Am besten gleich als Digital-Fibel…………

Nähere Informationen und Bezugsquelle: https://agensev.de/die-genderfibel/