Fall Kachelmann – bedauerlicher Einzelfall oder bedenkliche Entwicklung?

Nach seinem Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung im Mai 2011 meldet sich Jörg Kachelmann nun zurück. Zwischenzeitlich verheiratet, hat er zusammen mit seiner Frau die Geschehnisse rund um die gerichtliche Auseinandersetzung sowie die Rolle der Medien in einem Buch in pikanter Weise aufgearbeitet. Nach seiner Einschätzung handelt es sich bei der Falschbeschuldigung im Bereich des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung nicht um Einzelfälle, sondern mehr um ein Massenphänomen. War es früher noch so, dass Frauen leicht in den Verdacht gerieten, die Tat provoziert zu haben, so sei heute das Gegenteil der Fall. Frauen haben heute generell ein „Opfer-Abo“ und seien über einen Verdacht erhaben. Das Pendell sei heute insofern in die andere Richtung ausgeschlagen. Dies führe dazu, dass Frauen heute die Falschbezichtigung in einer Vielzahl von Fällen missbrauchen und zur Verfolgung von Eigeninteressen gezielt einsetzen.

I. Forschungsstand – unbekannt

Das Buch und die Äußerung des Wettermoderators rücken aktuell den medialen Blick auf ein Phänomen, von dem anscheinend hierzulande keiner so richtig die Ausmaße kennt.

Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) in Wiesbaden dokumentiert für Bund und Länder Studien zum Strafrecht und betreibt auch selbst Forschung. Untersuchungen über die Häufigkeit von Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigungen sollen dort aber nicht bekannt sein, so der dortige Leiter Rudolf Egg.

Nicht bei der KrimZ in Wiesbaden dokumentiert, aber dennoch häufig im Zusammenhang mit der Falschbezichtigung genannt, werden zwei Studien. Bei der einen handelt es sich um eine Untersuchung der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei aus dem Jahr 2005. Bei der anderen handelt es sich um einen Länderbericht der London Metropolitan University von 2009. Können diesen Untersuchungen gesicherte Aussagen zum Ausmaß und der Entwicklung von Falschbeschuldigungen entnommen werden? Treffen die Behauptungen des Herrn Kachelmann zu?

II. Studie des LKA München

 Die Untersuchung des LKA München enthält zum Einen Praktikeraussagen einer polizeilichen Fachabteilung. Zum Anderen wurden 140 Fälle von Falschbeschuldigungen u. a. durch eine Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zusammengetragen und ausgewertet.

1. Praktikeraussagen

 Was die Praktikeraussagen zum Verhältnis von Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeht, so sprechen diese eine eindeutige Sprache. Ein im Zusammenhang mit der Untersuchung befragter Kommissariatsleiter äußerte hierzu:

Alle Sachbearbeiter von Sexualdelikten sind sich einig, dass deutlich mehr als die Hälfte der angezeigten Sexualstraftaten vorgetäuscht werden. Viele der angezeigten Fälle lassen zwar die Vermutung einer Vortäuschung bzw. falschen Verdächtigung zu, berechtigen jedoch nicht zu einer entsprechenden Anzeige.“

Es handelt sich bei dieser Einschätzung wohl bemerkt nicht um die Einzelmeinung eines unbeutenden Beamten, sondern um den Leiter einer Fachdienststelle der sich stellvertretend für seinen Bereich äußert. Die Expertenmeinung fand überdies Eingang in eine Untersuchung, welche von der Aufsichtsbehörde des LKA München – dem Staatsministerium des Inneren – in Auftrag gegeben wurde und dieser sicher auch vorgelegt wurde. Vor diesem Hintergrund dürfte die Annahme einer unbedachten Spontanäußerung wohl eher fernliegend sein.

2. Auswertung von Fallzahlen der PKS

Dieser Befund steht zunächst in einem Widerspruch zu dem Ergebnis der statistischen Auswertung der Untersuchung. Denn gemessen an der ebenfalls in der PKS erfassten Gesamtzahl von Anzeigen wegen Vergewaltigung bzw. sexuellen Nötigung (1754) betrug der Anteil der Falschbeschuldigungen nur 7, 4 %. Man könnte vor diesem Hintergrund geneigt sein, das kriminologische Phänomen der Falschbezichtigung zu marginalisieren.

Fallzahlen können nicht sinnvoll in Relation gesetzt werden

Für die folgerichtige Beurteilung muss jedoch berücksichtigt werden, dass Vergewaltigungs- und Falschbezichtigungsvorwurf den gleichen Lebenssachverhalt betreffen, die jeweiligen Verfahren bei den Behörden aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten statistisch erfasst und eingeleitet werden. Zeitlich zuerst wird das Vergewaltigungsdelikt erfasst und es erfolgt die entsprechende Einleitung eines Strafverfahrens. Erst in dessen Verlauf, regelmäßig jedoch erst am Ende dieses Verfahrens wird der Geschädigte und frühere Beschuldigte eine Anzeige wegen einer Falschbeschuldigung stellen und damit seinerseits eine statistische Erfassung und Verfahrenseinleitung auslösen. Der Erkenntnisstand der Strafverfolgungsbehörde bei Deliktserfassung und Verfahrenseinleitung unterscheidet sich daher erheblich: Strafverfahren wegen Vergewaltigung bzw. sexueller Nötigung werden schon auf recht unsicherer Tatsachengrundlage (regelmäßig nur die Angaben des Anzeigeerstatters) eingeleitet. Einem Verfahren wegen einer Falschbezichtigung liegt dagegen aber regelmäßig ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde. Diese Umstände schlagen sich natürlich auch im Vergleich der Verfahrenserledigung nieder. In der Studie des LKA München mussten knapp60 % der Verfahren wegen Vergewaltigung bzw. sexueller Nötigung allein wegen fehlendem hinreichenden Tatverdachtes (§ 170 Abs. 2 StPO) eingestellt werden. Der Anteil der Verfahrenseinstellungen bei der Falschbezichtigung betrug hingegen nur 25 %, wobei die Hälfte dieser Einstellungen zudem noch der fehlenden Schuldfähigkeit des weiblichen Täters zuzurechnen war (psychopathologische Auffälligkeiten und hirnorganischen Strömungen). Die unterschiedliche Erkenntnislage bei Erfassung von Vergewaltigungs- und Falschbeschuldigungsdelikten verbietet daher im Ergebnis den sinnvollen Vergleich dieser Fallzahlen. Überspitzt ausgedrückt: Würde man die Einleitung beider Verfahren gleichzeitig prüfen, so dürfte jedem Vergewaltigungsvorwurf spiegelbildlich eine Falschbeschuldigungsanzeige gegenüber stehen.

Zwar kann sich das LKA München in seiner Studie einen solchen Vergleich nicht ganz verkneifen, ein klarstellender Hinweis auf die unterschiedliche Erkenntnislage und auch die unterschiedliche Verfahrenserledigung erfolgt jedoch bereits bei Einleitung des entsprechenden Abschnittes und im Resümee.

Einseitige Dunkelfeldaufhellung

Eine etwas unglückliche Darstellung bzw. ein methodischer Fehler unterläuft der kriminologischen Forschungsgruppe des LKA München bei der weiteren Bewertung der Fallzahlen. Irrig werden nämlich Dunkelfeldzifferrelationen nur einseitig berücksichtigt.

Grundsätzlich sind Dunkelfeldaufhellungen für die Beurteilung der Wirklichkeit aus dem Grund nötig, da die polizeiliche Kriminalstatistik nur die angezeigten und damit die bekannten Fälle aufzeigt (sog. Hellfeld). Setzt man ein bekanntes Hellfeld in Relation zu einem nicht bekannten Dunkelfeld, so liegt dem die Annahme zugrunde, dass die Wirklichkeit eines betreffenden Delikts um ein Vielfaches höher ist. Im Fall der Vergewaltigung wird eine Dunkelfeldziffer von 1:3 bis 1: 10 angenommen. Der methodische Fehler der Untersuchung liegt nun darin, alleinig bei Fällen der Vergewaltigung bzw. sexuellen Nötigung eine Dunkelfeldziffer zu berücksichtigen und das Ergebnis dann den Hellfeldzahlen der Falschbezichtigung gegenüber zu stellen. Zwar sind die Ausführungen der kriminologischen Forschungsgruppe insofern zutreffend, dass die Falschbeschuldigung im Vergleich zur Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung kein Dunkelfeld hat. Es wird bei dieser Bewertung jedoch irrig (oder unglücklicherweise) unterstellt, dass beide Delikte  unabhängig neben einander stehen. Tatsächlich aber bedingen sich Fallzahlen von Vergewaltigung und Falschbeschuldigung. Nimmt man zur Konstruktion der Wirklichkeit einen vielfachen Anstieg von Anzeigen wegen Vergewaltigung an, so ist selbstverständlich auch ein gleicher Anstieg von Falschbezichtigungen anzunehmen. Aus welchem Grund sollte es denn plötzlich eine Wirklichkeit von Vergewaltigungsanzeigen ohne jedwede Falschbezichtigung geben? Die alleinige Annahme eines Anstieges von Fallzahlen in Form von ausschließlich inhaltlich zutreffenden Anzeigen wäre aus diesem Grund wirklichkeitsfremd – und würde daher dem Sinn und Zweck einer Dunkelfeldaufhellung zuwiderlaufen.

Vor diesem Hintergrund dieser Ausführungen kann ein Widerspruch zwischen polizeilicher Kriminalstatistik und angeführter Einschätzung von Fachleuten nicht belegt werden. Belegt werden kann aber eine auffällig hohe Zahl von Verfahrenseinstellungen bei Anzeigen wegen Vergewaltigung bzw. sexueller Nötigung. Ferner steht fest, dass auch Fälle, bei denen nach Abschluss der polizeilichen Ermittlung wichtige Fragen zum Tatgeschehen offen bleiben, in der Regel als Anzeige wegen Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Der statistische Befund widerspricht der Praktikeraussage daher nicht, sondern scheint sich umgekehrt in diese einzufügen.

III. Studie der Metropolitan University

1. Umfang von Falschbeschuldigungen

Unter Vorlage dieser Studie wurden jüngst bei Günter Jauch Aussagen zum Umfang der Falschbeschuldigung getroffen. Nicht erwähnt wurde, dass die Studie im Rahmen eines von der EU geförderten Programms zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Auftrag gegeben wurde und von einem Lehrstuhl durchgeführt wurde, dessen Forschungsfokus ebenfalls primär auf das weibliche Vergewaltigungsopfer gerichtet ist (Child & Woman Abuse Studies Unit der London Metropolitan University). Die Interessenlage der Forschungseinrichtung und möglicherweise auch des Forschungsauftrages dürften damit die Unabhängigkeit einer solchen Untersuchung schon in Frage stellen. Es wundert daher nicht, dass ein im Ergebnis gezogener Schluss zum Umfang der Falschbeschuldigung mit der zugrunde liegenden Datenbasis der Studie wenig zu tun hat. Konkret wird ausgeführt:

Entgegen der weit verbreiteten Stereotype, wonach die Quote der Falschanschuldigungen bei Vergewaltigungen beträchtlich ist, liegt der Anteil bei nur 3 % (….). Diese Ergebnisse kontrastieren die bei der Polizei und bei den Justizbehörden weit verbreitete Auffassung, dass Falschanschuldigungen ein großes Problem bei der Strafverfolgung von Vergewaltigung darstellen (vgl. Elsner und Steffen, 2005; Kelly et al 2005).

Der Untersuchung liegen – anders als bei der Studie des LKA München – ausschließlich kriminalpolizeilich erfasste Fälle der Vergewaltigung zugrunde (100 Fälle aus dem Raum Stuttgart). Diese werden im Hinblick auf ihre justizielle Verfahrenserledigung ausgewertet. Das Ergebnis dieser Auswertung wird in einer Übersicht zusammengefasst.

Die erwähnte Quote in Höhe von 3% soll sich nun aus drei Fällen ergeben, bei denen die Falschbeschuldigung ausdrücklicher Grund der Einstellung des Strafverfahrens wegen Vergewaltigung war. Dieser Schluss geht deswegen fehl, weil ihm eine unzutreffende Bezugsgröße zugrunde gelegt wird.

Einstellungsgründe des Verfahrens A sind nicht Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens B. Voraussetzung für die Einleitung eines Strafverfahrens ist vielmehr die Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden von der Straftat, vgl. § 160 Abs. 1 StPO.

Dies kann durch ein anderes Verfahren geschehen – so wie von der London Metropolitan University angenommen – muss es aber nicht. Die Behörden können genauso gut auch auf anderem Wege, z. B. durch Anzeige des Opfers der Falschbezichtigung oder Dritte ein Strafverfahren einleiten. Um Aussagen zum Umfang von Falschbezichtigungen machen zu können hätte man also – ebenso wie das LKA München – auch Fallzahlen zu diesem Delikt erheben müssen. Die alleinige Auswertung von Fallakten eines anderen Deliktes ist hier wenig zielführend. Die in der Studie der London Metropolitan University getroffene Schlussfolgerung zum Umfang der Falschanschuldigungen ist somit fehlerhaft.

2. Entwicklung von Fallzahlen

Nicht näher in der Studie kommentiert, aber dennoch aufschlussreich im Hinblick auf die Ausgangsfrage könnten zeitliche Verlaufsangaben zu Fallaufkommen und Verurteilungsquoten im Bereich der Vergewaltigung sein. Nach Darstellungen der Studie geht nämlich seit Mitte der 80er Jahre in Deutschland ein wachsendes Anzeigenaufkommen mit einer sinkenden Verurteilungsquote einher. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass entweder die Verurteilungsfreude unserer Gerichte einfach abnimmt, die Strafverfolgungsbehörden ihre Aufgabe nicht richtig wahrnehmen – oder aber der Sachverhalt der Vergewaltigungsanzeige immer dürftiger wird. Hinweise auf fehlendes Verurteilungsengagement der Gerichte oder Mängel bei der Strafverfolgung ergaben sich bei der hier vorgenommenen Betrachtung nicht. Wirft man aber nur ein Blick auf die festgestellte Verfahrenserledigung der 100 ausgewerteten Fallakten der London Metropolitan University, so stellt man fest, dass die Einstellungsgründe häufig im angezeigten Sachverhalt bzw. dessen Beweisbarkeit liegt (eingestellt wurde u.a. 20 % der Fälle, weil überhaupt kein Beweis für den sexuellen Übergriff vorlag und in 13 % der Fälle wurde die Anzeige zurückgenommen bzw. es lag keine Kooperationsbereitschaft für die Tataufklärung vor). Es könnte also durchaus sein, dass diese Entwicklung sich in den letzten Jahren verstärkt hat. Steigt aber die Anzahl der Vergewaltigungsanzeigen auf dürftiger Grundlage, so könnte dieser Umstand – wie Herr Kachelmann behauptet – auf einen Anstieg der Falschbeschuldigungen hindeuten.

IV. Kriminologische Bewertung und Handlungsbedarf

1. Bewertung

Beide Studien lassen die Marginalisierung der Falschbeschuldigung nicht zu. Die Praktikeraussagen sowie auch der statistische Befund beider Studien, insbesondere die Höhe der Einstellungsquote, deren Gründe und auch die zeitliche Entwicklung der Verurteilungsquoten der letzten 20 Jahre lassen vielmehr Raum für die Behauptungen des Herrn Kachelmann.

2. Handlungsbedarf

a) Die Erfassungskriterien der PKS sollten modifiziert werden, vgl. oben III. 1 und Fn 12.

Ist eine angezeigte Tat nach Abschluss der Ermittlungen ungeklärt, so sollte daher auf eine deliktische Festlegung verzichtet werden – oder eben alle möglichen genannt werden. Die Erfassung in der bisherigen Art führt zu verzerrten Ergebnissen.

b) Gemessen an der Dimension des Problems, dem Öffentlichkeitsinteresse und auch der Strafandrohung von § 177 StGB (Freiheitsstrafe im Mindestmaß von einem bis fünf Jahren) sowie den Nebenfolgen für Täter und Opfer sind die vorliegenden kriminalwissenschaftlichen Erkenntnisse zum Umfang der Falschbeschuldigung nicht ausreichend und zu wenig abgesichert. Es besteht insofern Forschungsbedarf.
Die hier vorgenommene Untersuchung zeigte, dass eine Aktenauswertung Probleme aufwirft. Das Forschungsdesign einer Studie sollte daher überdacht sein. Eine Aktenauswertung sollte durch eine anonymisierte Befragung von Beschuldigten, Verurteilten und Opfer ergänzt werden. Unmöglich sollte ein weiterer Erkenntnisgewinn jedoch nicht sein.

c) Auch zu den Folgen der Falschbeschuldigung für das Opfer fehlen jedwede Studien. Auf diesen Umstand hat bereits das LKA München hingewiesen. Das LKA München benennt in diesem Zusammenhang folgende Problemfelder, welche noch näher untersucht werden müssen:

  • die gestörte Vertrauensbasis in partnerschaftlichen Beziehungen und zum engeren sozialen Umfeld,
  • das Misstrauen oder auch die dauerhafte soziale Ausgrenzung im Bekannten- und Freundeskreis, im beruflichen Umfeld oder der Nachbarschaft,
  • die Auswirkungen auf die Entscheidungen von Behörden (z. B. Polizei, Jugendamt, Vormundschaftsgericht),
  • die Verunsicherung bei der Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht,
  • das Entstehen eines generell negativen Frauenbildes beim falsch Verdächtigten.

d) Ein Strafverfahren wegen einer Falschbeschuldigung weist die Besonderheit auf, dass ein ursprünglicher Beschuldigter (u. U. ad hoc) seine Verfahrensstellung ändert und in die Position des Opfers einrückt. Aus diesem Umstand ergeben sich Anforderungen an die praktische Umsetzung des Strafverfahrens, die es zu optimieren gilt (z. B. die angemessene Berücksichtigung dieses Wechsels, ebenso die Opferentschädigung). Auch im Fall Kachelmann wurden die Forderungen nach einer Verfahrensoptimierung erhoben.

AGENS meint:

AGENS e.V. hat den Handlungsbedarf ebenso gesehen und beim zuständigen Bundeskriminalamt bereits mit Schreiben vom 01.09.2010 entsprechenden Forschungsbedarf angemeldet. Das Bundeskriminalamt teilte mit Schreiben vom 26.09.2011 jedoch mit, das es sich hier ein sehr heterogenes Deliktsfeld handelt, welches mit Blick auf die Opfer mit Bedacht behandelt werden müsste. Das Bundeskriminalamt teilte ferner mit, dass sich die Polizeibehörden dieser komplexen Gemengelage von Ursachen bewusst seien und das Thema daher mit dem nötigen Augemaß behandeln. Für die Durchführung einer Untersuchung sehe man daher keine Notwendigkeit. – Soweit die amtliche Stellungnahme. Für uns folgt daraus: Es fehlt eine Absicherung der bisherigen Datenlage. Erhebungen, Umfragen sind notwendig für eine sichere Bestimmung des Strafmaßes für Falschbeschuldigungen.

7 Gedanken zu „Fall Kachelmann – bedauerlicher Einzelfall oder bedenkliche Entwicklung?“

  1. @Chomsky: In der Tat ist solch eine Umfrage/Studie mit 100 Personen in einem so begrenzten Raum wie Stuttgart nicht repräsentativ. Weiterhin muss berücksichtigt werden wie die ethnische/demografische Zusammensetzung Stg. sich darstellt. Wir können darüber hinaus noch das Problem sehen wie ein Gericht schärfer bei bestimmten Delikten aburteilt als ein anderes. Hierbei seien die für ihre Internetfeindlichen/Abmahnfreundlichen berühmten Hamburger Gerichte genannte.

    Die Studie ist somit sehr problematisch zu bewerten.

  2. Ich fände auch mal Studien über Unterhaltszahlungen gut. Es wird über Gehalt geredet bei Männern und Frauen, aber über Geldtransfer bei Unterhalt nicht. Vielleicht erklärt das so manchen Unterschied bei angeblich gleicher Leistung.

  3. Wir haben Grund zum Feiern

    Axel Springer will seine gendrifizierten Elaborate nur noch als Abo anbieten und zieht sich aus dem Netz zurück. Dafür hat die Reklameabteilung ein neues Wort erfunden: Bezahlkultur.

    Thematisch vom selben gemeinschaftszersetzenden Geist erfaßt, doch wegen Geldmangels unter Druck geraten: die Gender-Spamschleuder Indimedia macht DICHT.

  4. Vielen Dank.
    Bei Justiz- und Polizeidaten (dazu gehören auch die Verfahrensakten) bzw. Statistiken handelt es sich um sog. ausgelesene Datenbasen. Diese können nie repräsentativ für eine Wirklichkeit sein, egal wie sie ausgewählt werden. Repräsentativ könnte zu diesem Thema nur z. B. eine Befragung anhand einer geeigneten Stichprobe sein. Berücksichtigt man aber, wie häufig eine Vergewaltigung bezogen auf die Gesamtheit der Bevölkerung vorkommt (sog. Häufigkeitszahl), so kann man sich ausmalen, wie groß eine Stichprobe für eine tragfähige Aussage sein müsste – und damit auch, wie teuer so eine Untersuchung werden würde.
    Das Strafrecht lässt jedoch auch eine wissenschaftliche Untersuchung von anderen Zahlen zu. Man könnte schon einmal daran denken, eine umfangreiche anonyme Erhebung bei ehemaligen Beschuldigten, Opfern oder Verurteilten durchzuführen.

    Das unterschiedliche Strafmaß (§ 177 vs. §§ 145d, 164 StGB) fiel mir auch auf. Als Handlungsempfehlung dachte ich daran, hier eine gewisse Akzessorietät vorzuschlagen – also eine Abhängigkeit der Strafe der Falschbeschuldigung vom Strafmaß der jeweiligen Bezugstat. Ich war mir dann allerdings nicht mehr so sicher, ob dies verfassungsrechtlich möglich sein kann, da ein Straftatbestand – dazu gehört auch das Strafmaß – hinreichend bestimmt sein muss, vgl. Art. 103 GG („keine Strafe ohne Gesetz“). Abgesehen davon ist Strafgrund der §§ 145d, 164 StGB nicht die dahinter liegende Bezugstat, sondern die ungerechtfertigte Veranlassung der Behörden zum Einschreiten (man unterstellt bei dieser Denkweise, dass Behörden, wenn sie denn ein Verfahren einleiten – auch immer unabhängig und vollständig ermitteln).

    Auffällig fand ich schon zu Beginn der Untersuchung die Diskrepanz zwischen Expertenmeinung (nicht nur dieser, mir lagen auch andere vor)und einem angeblichen Ergebnis von Datenauswertungen. Aber bei den Datenbewertungen wurden eben nur unzulässige Bezüge vorgenommen und falsche Schlüsse gezogen. Ich bin mir nun recht sicher, dass man auch mit den vorliegenden Zahlen eine Marginalisierung der Falschbeschuldigungen nicht belegen kann. Im Gegenteil, sie geben – wie gesagt – Raum für gegenteiliges.

  5. Finde dies übrigens ein sehr guter Bericht. Man könnte natürlich die Studie der Metropolitan University noch ein bisschen kritischer angehen, zu fragen wäre ja auch einmal, ob die 100 Fälle im Raum Stuttgart überhaupt Repräsentativität für die Grundgesamtheit (hier Deutschland) beanspruchen können etc.

    Beim Handlungsbedarf fehlt mir noch Folgendes: Interessant wäre ja auch mal zu wissen, zu welchem Strafmass die Falschbeschuldigerinnen verurteilt wurden. Wenn man bedenkt, welches Strafmass einem Mann blüht, wenn er wegen Vergewaltigung verurteilt wird, die auf einer Falschbeschuldigung beruht, dann würde ich einmal, ohne die Fakten genau zu kennen, behaupten, dass Falschbeschuldiung quasi ein „Kavaliersdelikt“ ist. Forderungen müssten also auch dahin gehen, dass hier vermehrt Prävention betrieben wird, um eben präventiv Falschbeschuldigungen auszumerzen und dass Falschbeschuldigungen mit einem analogen Strafmass belangt werden wie Delikte gegen die sexuelle Integrität (sprich z.B. Vergewaltigung).

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