These 1 – Männer müssen sich selbst gut verstehen
Es zeichnet sich bei einigen Organisationen schon ab, dass ein fundamentaler Kurswechsel (m. E. ein notwendiger Paradigmenwechsel) angezeigt ist und sogar durchgeführt wird: statt Männerrechte gegen Frauenrechte geht es um eine kooperative politische Zusammenarbeit. Ein solcher Ansatz lässt sich für jedes Fachthema begründen (Vater und Mutter für die Kinder, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gewaltschutz und häusliche Gewalt). Erst recht im Familienrecht – aber nicht nur dort – zeichnet sich deutlich die Erkenntnis ab, dass im Recht und in der Politik nur noch eine gemeinsame Strategie der Geschlechter mit dazu gehörendem Wertegebäude die Brücke zwischen Männern und Frauen schlagen muss, um den Geschlechterkampf zu beenden.
Die politisch-fachliche Zusammenarbeit kann aber nur funktionieren, wenn auch eine versöhnliche und konstruktive Verständigung zwischen Männern und Frauen von uns Männern beherzigt wird. Dies ist nicht so leicht und selbstverständlich, wie es auf dem Papier klingt.
Vor allem wird m. E. unterschätzt, welche negativen Auswirkungen auf Stil und Inhalte des politischen Handelns die eigenen (auch persönlichen) Missverständnisse haben können. Man kann daher im Folgenden auch für jeden privatpsychologischen Aspekt auch öffentlich-politische Analogien aufzeichnen.
Im Frühjahr 2010 hat Dr. Matthias Stiehler (http://unrasiert-magazin.de/maennerbewegung-befreiung-verantwortung) skizziert, warum Männer sich mit ihrem eigenen Fühlen, Denken und Handeln beschäftigen müssen und nicht nur darauf warten können, „dass sich die Strukturen ändern“. Er sieht auch, wie der emotionale Umgang mit Konflikten im Privaten, sich genauso kollektiv im Politischen widerspiegelt.
Das Schweigen der Männer im Politischen (siehe https://agensev.de/meldungen/denn-sie-saeen-wind-und-werden-sturm-ernten) lässt sich privat auf die gelernten Strategien der Konfliktbewältigung von Männern in der Partnerschaft zurückführen. Der gebeutelte Mann geht zumeist einen von zwei Wegen (Stiehler): Beschuldigung oder Selbstbeschuldigung.
Beim ersten Weg stellt Stiehler fest, dass ganz entscheidend durch einseitige Schuldzuweisungen „der Mann keinerlei Macht [besitzt], sein Begehren durchzusetzen“. Die Fokussierung auf den Anderen als Schuldiger („die Ex“ und „die Frauen“, die Richter, das Jugendamt, usw.) entmachtet den Mann gewissermaßen und zwar – wie ich das sehe – einfach deswegen, weil er sich in die Opferstellung und damit in die Ohnmacht bringt. Da ist kein konfliktlösendes und konstruktives Handeln möglich.
Tatsächlich sieht es oft so aus, wenn man z.B. Väter in gerichtlichen Konflikten begleitet, als gäbe es manchmal eine komplett irrationale Mauer an Vorurteilen (Umgang einschränken, weil er angeblich Windel nicht wechseln kann), die bei der typischen (und verständlichen) Gereiztheit der Väter kontraproduktive Reaktionen seinerseits provozieren.
Es fehlt dem Mann hier (wie auch in anderen Konfliktsituationen) aber gewissermaßen an Gleichmut. Und dieser fehlende Gleichmut versperrt den Blick für das eigentliche Problem: der Zusammenbruch der Kommunikation infolge von Vertrauensverlust. Diese Blindheit entsteht durch die Vermengung verschiedener, mehr oder minder ausgeprägter Gefühlsströmungen, die da z.B. sind:
- Der verletzte Vaterstolz (kinderlos: die gekränkte Männlichkeit)
- Die Trauer über die gescheiterte Beziehung (zum Kind UND zur Mutter)
- Der Zorn über Ungerechtigkeit
Wut und Trauer sind für sich genommen natürlich ganz normale Emotionen, mit denen wir zum eigenen Schutz ausgestattet sind. Problematisch wird es aber, wenn wir nicht für unsere eigenen Gefühle die Verantwortung übernehmen. Schließlich sind das keine Viren, die uns jemand eingetrichtert hat, sondern unsere ureigenen Reaktionen und diese sind ja vielfach verstärkt und sogar „pervertiert“ durch eigene Fehlentwicklungen und Kindheitserlebnisse.
Wie Dr. Sabine Stiehler im Interview sagte: „…in jedem von uns lebt ein inneres Kind, das in der frühen Kindheit zumeist zu wenig Bestätigung und Liebe erfuhr. Deshalb wird vom Partner mehr Bestätigung und Liebe erwartet, als dieser geben kann“. Gerade diese Übertragung von Wünschen in die Verantwortung des Partners (man lese auch: politischen Gegners) ist aber der Mechanismus, der verdeckt, dass die Situation (für die die Ursachen in einem Schuldigen gesucht werden) unter eigener Beteiligung entstand. Ein Ehekonflikt entsteht fast immer aus einem Missverständnis und sei es seitens des Mannes, der die vielleicht verqueren, versteckten und seitens seiner Frau auch mal vorwurfsvoll geäußerten Wünschen und Sehnsüchte nicht als solche verstanden hat – als Wünsche eben, die aber als Vorwürfe zum Vorschein kommen, aus Verhaltensweisen der Vorbilder gelernt. Dadurch geht natürlich (wie oben erwähnt) das Vertrauen in den Partner verloren und es endet mit gegenseitigen Schuldvorwürfen. Hierin verbirgt sich tragischer Weise auch die transgenerationelle Fortpflanzung einer mangelhaften Konfliktkultur.
Genau dieser Mechanismus greift ja auch im Kollektiven und Politischen. Ein Kritiker der These von Matthias Stiehler führte an, dass – solange Frauen Erwartungen nach einem bestimmten Status (des Versorgers) an Männer herantragen – sie diesen auch nachkommen müssen. „In der Theorie könnten sich alle Männer solidarisch dem Anspruchsdenken der Frauen verweigern, in der Praxis ist das illusionär“, hieß es da. Hier zeigt sich die Opferhaltung, denn welcher selbstbewusste und selbstsichere Mann sieht sich als unfähig, einer Frau Einhalt zu gebieten und sie zur Rede zu stellen, wenn er spürt, dass er sich selbst opfert oder auch nur großzügig zeigt, ohne dass dieses Entgegenkommen mit Liebe quittiert, d.h. geschätzt wird? Die Argumentation ist kreisförmig und in ihrer Zirkularität typisch für gegenseitige Schuldzuschreibung.
Der zweite Weg ist der Weg der Selbstbezichtigung und der Aufgabe. Damit werden aber die eigenen Empfindungen nicht mehr ernst genommen. Man erklärt sich für bedeutungslos, denn tatsächlich ist eine solche Haltung der Selbstbeschuldigung nur ein taktisches Manöver (um jeden Preis Ruhe) und letztendlich nur eine andere Art, sich nicht der Frage zu stellen: was will ich und was brauche ich? Stattdessen wird selbstmitleidig darauf verzichtet, für seine Wünsche und Empfindungen gerade zu stehen und der Partnerin damit eine Möglichkeit zu geben, diese wahrzunehmen und zu verstehen. Natürlich gibt es strukturelle Hürden im Politischen, die dies sehr schwer machen, etwa durch das Totschweigen kontroverser Themen in den ressourcen- bzw. kapitalstarken Mainstreammedien. Nur: ruhige, sachliche und respektvolle Auseinandersetzung bleibt immer der überzeugendste, wenn auch mühsame Weg.
Wie Stiehler sagt: „Der wirklich einzige Weg, in ein auch gesellschaftlich konstruktives Miteinander von Frauen und Männern zu gelangen, ist die Entwicklung von Eigenverantwortung für sich. Es geht bei der Entwicklung männlicher Handlungsspielräume und eines positiven männlichen Selbstverständnisses weder darum, es Frauen recht zu machen, noch sich von ihnen abzugrenzen. Beide verbreiteten Haltungen sind Ausdruck der Externalisierung. Es geht als erstes gar nicht um Frauen, sondern um uns selbst.“
Nichts hilft schneller (nach meiner Erfahrung), wieder in seine Mitte zu kommen und den Mann seiner Träume zu werden, als sich den Großmut zu erlauben, dem anderen seinen Fehler nachzusehen und demjenigen – wie man es eben bei einem selbst tut – zu unterstellen, er/sie wolle auch eine friedliche und konstruktive Lösung – auch wenn der Gegenüber diesen Wunsch oder überhaupt die Perspektive bei sich noch nicht entdeckt hat. Diese Haltung macht uns wieder zu einem Mann, der den Blick für „the big picture“ hat und nicht jeder Provokation auf den Leim geht.
Es reicht halt eben nicht, sich über die Dominanz von gender mainstreaming in der herrschenden Politik zu beschweren (einseitige Schuldzuweisung), wenn wir nicht gleichzeitig tatsächlich anfangen vorzuleben, was die Alternative dazu ist. Diese Alternative ist nicht alleine in der Feststellung der Verletzung von Gesetzen und Grundrechten zu suchen, sondern parallel dazu in der Wahrnehmung seiner Pflichten, womit der eigene Beitrag zum Allgemeinwohl erst gelingen kann. Auf das Individuum gemünzt: eine Beziehung zwischen Mann und Frau funktioniert nur, wenn beide sich dem Glück des Anderen widmen. Und zwar deswegen, weil kein Mann (auch nicht im Kollektiven) mit einer Frau glücklich wird, wenn die Beziehung von einem ständigen Kampf um Rechte und Ansprüche belastet wird. Dies ist Bedürftigkeit, nicht Liebe und Vertrauen. Vertrauen heißt: ich vertraue darauf, nicht auf meine Erwartungen zu setzen, sondern darauf zu setzen, dass ich Gutes bewirken kann.
Radikaler noch: die Werteordnung in unserer Gesellschaft versinkt im Chaos, weil Frauen zusehends machen können, was sie wollen, ohne Rücksicht auf Beziehung, Kinder und Gesellschaft. Der Narzissmus des Feminismus ist stärker denn je. Und wir Männer müssen ihn mit hartnäckiger Verständigung bändigen, wenn wir nicht in die Beliebigkeit versinken wollen.
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