Von Günter Buchholz
Feminismus und Maskulismus
Ausgangspunkt meiner folgenden Überlegungen ist das Interview, das ich vor einigen Jahren Alexander Ulfig gab.
Der Begriff der feministischen Dichotomie ist in ihm zentral, weil er die Abkehr von der in der Soziologie gebräuchlichen und anerkannten sozialstrukturellen Gliederung der Gesellschaft nach sozialen Klassen, Schichten und Milieus, ganz selbstverständlich jeweils mit Männern und Frauen, auf den Begriff bringt. Ausgehend von der Fiktion des Patriarchats bzw. der „strukturellen Benachteiligung der Frauen“ kommt es in feministischer Ideologie und gesellschaftlich-feministischer Praxis zu einer Dichotomie der Gesellschaft entlang der Geschlechtergrenze und zu einer umfassenden einseitigen Aufwertung und Begünstigung des weiblichen Teils sowie in demselben Akt zu einer entsprechenden umfassenden Abwertung und Diskriminierung des männlichen Teils. Dieser reale Sachverhalt und die damit verbundenen Interessen waren der Entstehungsgrund männerrechtlicher Interessenverbände bzw. des Maskulismus. Dieser hat somit, als sachlogisch notwendige Folge der feministischen Ursache seine Existenzberechtigung und Notwendigkeit, die in eben jener Abwertung und Diskriminierung wurzelt, stellt aber dennoch das inverse Spiegelbild des Feminismus dar, wobei an die Stelle der feministischen Ideologieproduktion deren Kritik tritt; siehe hierzu meinen Artikel „Den Geschlechterkampf beenden!„.
Eine humanistische Perspektive
Wenn der Feminismus überwunden werden muß, und er muß überwunden werden, dann ebenso seine kritische Inversion, der Maskulismus. In der Hegelschen Denkfigur der dreifachen „Aufhebung“ – erstens negativ, im Wegfall dessen, was falsch oder überholt ist, zweitens positiv, im Bewahren dessen, was, weil bewährt, bleiben soll, drittens im Hinblick auf Feminismus & Maskulismus synthetisch und innovativ, im Sinne einer neuen, vergleichsweise höheren gesellschaftlichen Praxis im Hinblick auf die Neuformierung der Beziehung der Geschlechter.
Die Entwicklung von Feminismus & Maskulismus während der letzten Jahrzehnte war von einem Veränderungsprozeß gesellschaftlicher Wertvorstellungen und zugleich einem Zersetzungsprozeß der traditionellen Institution von Ehe & Familie begleitet. Der Feminismus hat diesen Prozeß zumindest billigend in Kauf genommen oder aktiv gefördert. Heute ist ein Zustand erreicht, wo zwar noch etwa 75% der Bevölkerung in traditionellen Familien leben, etwa 25% jedoch nicht mehr. Diese Zerfallsformen der traditionellen Familie werden, obwohl gesellschaftlich dysfunktional, ideologisch jedoch als modern und vorbildlich hingestellt und propagiert.
Jene die Frauen ebenso begünstigende wie Männer benachteiligende Änderungen des Ehe- und Familienrechts seit den 70er Jahren haben allmählich zu eine veränderten Erwartungen und Risikobeurteilungen seitens der Männer geführt, mit dem sachlich zutreffenden Ergebnis, daß Ehe & Familie für junge Männer als heutzutage nicht mehr lohnendes und zugleich hochriskantes Vorhaben erscheinen muß, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Scheidungs- und Sorgerechts. Ohne eine deutliche rechtspolitische Korrektur dieser Ungleichgewichte zugunsten der Männer werden zukünftige Familiengründungen politisch nicht wirksam gefördert werden können.
Allerdings ist nicht zu sehen, daß das mehr bedeutete als eine Wiederherstellung der uns gewohnten und bekannten, im Grunde christlichen Vorstellungen von Ehe & Familie in einem mehr oder weniger strikten Sinn. Wären nicht Verhütung und Abtreibung, dann ergäben sich daraus tendenziell steigende Geburtenraten, die gebraucht werden, wenn einer weiteren Schrumpfung entgegengewirkt werden soll. Das wären Familien mit wenigstens 2 – 3 Kindern. Es gibt durchaus Leute und politische Kräfte, die das nicht wollen (siehe : Feminismus & Homophilie).
Wenn aber die Geburtenrate sehr niedrig ist (1 – 2), dann sind Frauen in halbautomatisierten Haushalten völlig unausgelastet. Das wäre nur in kinderreichen Familien anders (3 und mehr Kinder). Aber da die Frauen allein über Verhütung und Abtreibung verfügen, was eine große Machtposition ist, kann gegen sie kaum eine Veränderung herbeigeführt werden, also wohl nur mit ihnen. Daher ist ihre Motivation zur Mutterrolle einerseits, zur Berufsrolle andererseits ein Problem, und aus dem Spannungsverhältnis beider Rollen resultiert das Thema der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf & Familie.
Es ist heute nicht einfach möglich, zum traditionellen Modell von Ehe & Familie zurückzukehren, weil sich die zugehörigen Werte, Haltungen, Verhaltensweisen und Lebenspläne m. E. so verändert haben, daß das nicht oder wenn doch, dann nur sehr partiell möglich sein dürfte. Das ist das Dilemma, das ich sehe. Eine Rekonstruktion von Ehe & Familie mag prinzipiell wünschenswert sein und gewollt werden, läßt sich aber kaum durchsetzen, es sei denn, das wäre von den Frauen selbst gewollt. Daß diese Mitwirkung erreicht werden könnte, das bezweifle ich allerdings.
Während Feminismus & Maskulismus gut bekannt sind, bleibt die Vorstellung einer synthetisch-innovativen Aufhebung in einer Neuformierung der Geschlechterbeziehungen noch offen.
Klar ist aber, daß das, was bezüglich des Geschlechterverhältnisses anthropologisch gegeben ist, nicht länger bekämpft und zersetzt, sondern anzuerkennen und zu fördern ist. Ehen und Kleinfamilien sind sicher nichts, was perfekt wäre, aber die bekannten Alternativen sind sämtlich deutlich schlechter, insbesondere für die Kinder. Es wird gesellschaftlich nicht genügend wahrgenommen, daß die Heranbildung der Kinder zu stabilen und mental wie charakterlich ausgeglichenen Persönlichkeiten neben der Sicherung des Überlebens durch Arbeit der wohl wichtigste gesellschaftliche Prozeß überhaupt ist. Es sollte alles getan werden, um ihn zu ermöglichen, und das ist allenfalls unter anderem eine monetäre Frage, dies deshalb, weil Geld hierbei ein bloßes Mittel darstellt. Es ist notwendig, garantiert aber noch keinen Erfolg.
Im Grunde geht es um eine Vermittlung anthropologischer Konstanten des Geschlechterverhältnisses mit der modernen Lebensweise, die es Frauen ermöglicht, die Zahl der Kinder zu regulieren und beruflich tätig zu sein, und zwar so, daß zugleich die Beziehungen der beiden Geschlechter zueinander in ein rechtliches und faktisches Gleichgewicht kommen, so daß dieses Gleichgewicht von beiden Seiten als ein faires erlebt werden kann.