Die Trump-Wahl und der Fundamentalirrtum des Feminismus – Teil 1

von Dr. habil.

Wulf Krause Wulf Krause ist Soziologe in Hannover. Er besitzt die venia legendi für allgemeine Soziologie. Seine Forschungen umfassen allgemeine Gesellschaftstheorie, wissenschaftliche und wissenschaftlich-technische Innovationsprozesse und Entwicklung der konkret-allgemeinen Produktivkräfte, Philosophie und philosophische Anthropologie, Existenzphilosophie in daseinsanalytischer und phänomenologischer Richtung, soziale Anthropologie der Technik: Gleichursprünglichkeit von Werkzeug und Sprache, Evolutionstheorie und Evolution des Sozialen: Kampf, Gemeinschaft, Gesellschaft, Evolution der Kooperation, Soziologie des Geschlechts, das Männlichsein.

Bemerkungen zu Paul Mason: „Bildet Banden

Paul Mason ist ein englischer Pädagoge, Hochschullehrer, Autor, Journalist und Fernsehmoderator. Er hat einen Preis für Wirtschaftsjournalismus gewonnen und bezeichnet sich selbst als “radikalen Sozialdemokraten”

Der Sargnagel des Neoliberalismus und Dutschkes Hoffnung

Bildet Banden“ ist ein bemerkenswerter Artikel zum Wahlsieg von Donald Trump in US-Amerika.
Er überrascht mit der Prognose, Trump sei der „Sargnagel des Neoliberalismus“; „die Globalisierung sei tot, und die Supermacht Amerika will sterben.“ Das erinnert einen meiner Generation, Jahrgang 1941, an Wladimir Iljitsch Lenins 1916 verfasste und 1917 veröffentlichte Schrift, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Da spricht Lenin von einer „unvermeidlichen Tendenz zu Stagnation und Fäulnis des Monopolkapitalismus“ und vom „sterbenden Kapitalismus.“

Rudi Dutschke nannte das seinerzeit „Spätkapitalismus“. Der ist, wie wir erleben, auch einhundert Jahre nach Lenins Prognose nicht gestorben. Ebenso wenig wie wir Dutschkes Hoffnung, die sich in seinem Wort verbirgt, teilen können, ebenso wenig werden wir erleben, dass die Prognose von Mason eintrifft. Gleichwohl ist der Kapitalismus nicht ewig, wie von Gott gegeben oder die natürliche Ordnung der Wirtschaft, wie manche frommen Amerikaner und manche Ökonomen noch immer zu glauben scheinen. Daher müssen wir darauf achten, ob und was an Masons Prognose vielleicht wirklich zutrifft, was ist es, das da vielleicht sterben will?

Weiße, rassistische, misogyne Männer mit weißen Kragen oder die Bildungslosen?

Masons Hauptthese lautet, der Sieg Donald Trumps sei gerade nicht verbunden mit der „viel beschworenen weißen Arbeiterklasse“, sondern vielmehr mit den „Millionen von Amerikanern, die in sich einen weißen Rassismus entdeckten“ und enorme „unerschlossene Reserven für Frauenfeindlichkeit.“ Das Letzte bringe, meint er, ein „reproduktiver Schock“ zustande: Die Pille brachte „die Frauen in Vorstandsetagen und an die Front und gab ihnen die Kontrolle darüber, mit wem sie, wann und wie Sex haben.“ Diese Aussage ist das eigentlich Bemerkenswerte an Masons These. Um das zu verstehen und zu prüfen, machen sich aber doch einige grundsätzliche Bemerkungen nötig, die hier später vorgetragen werden sollen.

Weißer Rassismus, meint Mason, führe zu Verrat an den übrigen ethnischen Gruppen des amerikanischen Volkes, den Schwarzen vor allen, den Latinos, Asiaten, Juden und anderen ethnischen Minderheiten. Schwerwiegender aber als dieser Verrat sei der „Genderverrat“, in dem sich „eine tiefsitzende Angst vor der wirtschaftlichen und sexuellen Befreiung der Frau“ zeige. So heißt es in aller Klarheit: Weiße, rassistische, misogyne Männer mit weißen Kragen, haben Donald Trump gewählt.

Das behauptete auch Alice Schwarzer in der Talkshow bei Maischberger direkt nach der Wahl. Auch für sie war das Grundmotiv dieser Männer für Trump zu stimmen, ihre Angst vor Frauen, insbesondere aber ihre Angst vor einer Frau im Präsidentenamt. Alice Schwarzers Argument aber bezog sich auf die „Arbeiterklasse“ als die entscheidenden Akteure, wenn man mit diesem Wort jene amerikanischen Menschen bezeichnet, die „Gruppe der Vergessenen“, die wenig Bildung haben, und auch sonst ziemlich minderbemittelt seien. Das seien die Wähler Trumps gewesen.

Also was? Wer ist es nun? Die weißen, rassistischen und misogynen Männer mit white-collars und tailor-made-suits oder die schulisch, bildungsmäßig und auch sonst minderbemittelten Mitglieder der „Arbeiterklasse“?

Trumps Wählerschaft in Zahlen

Also: Für Trump haben 50% dieser Gruppe, die „Arbeiter“, gestimmt, aber die Personen mit höherem Bildungsabschluss, also die mit „white collars“, haben nur zu 37% für Trump gestimmt. Das wäre also schon mal geklärt. (Alle verwendeten statistischen Angaben stammen aus SPIEGEL-ONLINE vom 10.11.16, Graphik-Analyse: Jung wählt Clinton, Alt wählt Trump)

Allerdings haben von allen weißen Wählern 58% für Trump gestimmt, das ist erheblich, die sind sicher auch religiös orientiert. Insbesondere christlich: Es haben für Trump gestimmt: 60% der Protestanten, 51% der Katholiken und 61% der Mormonen. Das ist bemerkenswert. Also die Frage ist entschieden:

Donald Trump ist sicher nicht überwiegend von gebildeten Mitgliedern einer amerikanischen höheren Mittelklasse, sondern zusammen mit einer weißen, christlichen und wenig gebildeten Gruppe von Menschen mehrheitlich gewählt worden. Aber ohne die erstaunliche Zustimmung von je rund 30% der Latinos, Asiaten und andern ethnischen Minderheiten hätte Trump nicht gewonnen. Allein die Schwarzen haben mit nur 8% Zustimmung als einzige klar Position gegen Trump bezogen. Das war bei den anderen anders, sogar Frauen haben zu 40% für Trump gestimmt.

Darsteller Trump spricht die zielführende Sprache

Donald Trump ist ein Medienmensch. Er besitzt TV-Sender und ist präsent in allen Medien, er ist, ähnlich wie einst Berlusconi in Italien, nicht zu übersehen, er ist Kommunikator erster Güte und besitzt sehr gute Darstellerfähigkeiten. Die hat er wohl genutzt. Mit hohem Geschick hat er in jenem restringierten Code gesprochen, der wohl in der sozialen Gruppe, die als untere Mittelschicht bezeichnet wird, auch gesprochen wird und die wohl auch die von Trump dargestellten und vertretenen Ressentiments teilt.
Das ist Paul Masons „Arbeiterklasse“.

Das sind die minderbemittelten, verarmten, sozial deklassierten, übersehenen und vergessenen „Modernisierungsverlierer“. Trump hat in ihrer Sprache gesprochen. So sprechen sie, wohl zuerst die Männer, auch untereinander, die Männer in den verlassenen Industriezentren der Stahl-, Maschinen- und Automobilindustien, von Chicago bis in den mittleren Westen und den tiefen Süden. Dort, seit dem NAFTA-Vertrag von 1994 mit Freihandel und verminderten Zöllen und seit der Deregulierung in den 80ern unter Bill Clinton verschärft, dort, in den oft von jeder Industrie und nahezu allen Arbeitsmöglichkeiten verlassenen kleinen Städten und heruntergekommenen Dörfern.

Die Erbärmlichen und Zwangsenteigneten

Judith Butler (SZ 10.11.2016) spricht von den „wirtschaftlich Zwangsenteigneten“, das trifft die Sache genau, Hillary Clinton spricht von den „Erbärmlichen“, „depravables“, aber Butler wundert sich über den „Hass auf die Eliten“ und wie sehr die „Zwangsenteignung“ diese Menschen „zermürbt“ habe. Das allerdings wundert nun den Autor sehr – was für eine Ignoranz. Wo nimmt sie das nur her? Im Übrigen vertritt sie dieselbe, schon bekannte Gender-Mainstream-Meinung von den angstgebeutelten, rassistischen, gebildeten und frauenfeindlichen weißen Männern.

Die anderen aber, diese „erbärmlichen“ Menschen leben in Staaten, die man gern überfliegt, statt sie zu besuchen, wie der Weltreisende und Schriftsteller Paul Theroux es mehrfach getan hat. „Tief im Süden. Reise in ein anderes Amerika“ heißt sein Buch von 2015. Es ist also ganz aktuell. Da kann man alles lesen, auch beim Überflug von Küste zu Küste, sozusagen von „Ostküstenelite“ zur „Westküstenelite“ und vice versa. In diesem „anderen Amerika“ ist die Segregation vom Weißen und Schwarzen wieder fast vollständig.

Trumps Versprechen: “Make America Great Again!”

Werden schwarze Kinder nach dem Gesetz in integrierte Schulen eingeschult, werden die geschlossen und als weiße Schulen neu gegründet. Ihre Betriebe und Geschäfte, wenn die Weißen sie verkaufen, werden niemals an Schwarze verkauft, lieber an die zahlreichen Inder, die sich dort erfolgreich ansiedeln. Ihre Produktionsbetriebe haben sie längst nach Mexico oder China verlagert, in „Gods own country“ liegen sie brach. Diesen Menschen, die nun von ihren Möglichkeiten und Mitteln, ihr Leben zu führen, enteignet und getrennt sind, hat Trump im Wahlkampf zum Wort verholfen und mit dem Versprechen verbunden, alles das, was sie verloren haben wieder zurück zu bringen, Amerika wieder stark zu machen – wieder!

Das hat er sicher nicht aus Anteilnahme am Schicksal dieser Verelendeten und Entrechteten gemacht. Und das ist der besondere Zynismus dieses, mit einem goldenen Löffel im Mund geborenen Milliardärs. Er brauchte sie als Stimmvieh. Das hat funktioniert, denn früher stimmten sie überwiegend demokratisch. Im Übrigen wird er sich nicht weiter um diese Menschen kümmern, wie das John Kerry schon tat, der schon im Wahlkampf von 2012 diese Menschen als Stimmvieh entdeckt, ihnen viel versprochen und nichts gehalten hatte.

Hillary Clinton die Feministin und Trumps Sieg durch “Proleten”

Hinzu kommt wohl noch ein ernster Vorbehalt der „white-collar-people“ für Hillary Clinton zu stimmen, einmal weil ihr Ruf nicht der beste ist. Alle Mängel, die Clinton habe, treten bei Trump auch auf, nur viel ausgeprägter, hieß es in Amerika. Die große Abneigung, nicht für Clinton zu stimmen gründet nun vielleicht nicht in der Angst der weißen Männer vor Frauen, aber darin dass sie Feministin ist. Sie war begeisterte Besucherin der Weltfrauenkonferenz der UNO 1995 in Peking, wo die Genderdoktrin zum weltpolitischen Programm durchgepeitscht worden war, um dann auf der Weltbevölkerungkonferenz in Kairo, wenige Jahre später zur Grundlage der US-amerikanischen globalen Bevölkerungspolitik zu dienen: „Wir müssen weniger werden!“. Und ihr Kabinett wollte sie „gendergerecht“ zu fünfzig Prozent mit Frauen zu besetzen.

Dieser Gender-Vision, verbunden mit den Zwängen der „malebashing political correctness“ und des Orwellschen „oversexed“ Gender-Neusprechs ins Präsidentenamt zu verhelfen, ist wohl auch vielen „Gebildeten“ sehr, sehr schwergefallen.

Nebenbei: Waren 50% der Männer bereit, Trump ihr Stimme zu geben, so gaben nur 54% der Frauen ihre Stimme Hillary Clinton. Das mag viel aussehen, ist es aber nicht. Nicht wie die Schwarzen, die mit 84%, nicht wie die Asiaten, die mit 65%, nicht wie die Latinos, die mit 65% oder die Juden, die mit 70% für Clinton stimmten, stimmten, im Vergleich, lächerliche 54% der Frauen – solidarisch von Frau zu Frau – für Clinton. Das ist wenig. Gemessen daran, wie stark Clinton sich als feministische Präsidentin präsentiert hat – als erste weibliche Präsidentin, als Präsidentin für die Frauen liegt es wohl nicht fern, zu sagen: Mit Hillary Clinton ist, wie es scheint, auch von Frauen die Genderdoktrin und die „political correctness“ abgewählt worden. Und das war keine Entscheidung gegen die Interessen der Frauen.

Bei Feministinnen muss man nämlich genau unterscheiden, zwischen denen, die sich für Frauenrechte einsetzen und jenen, die für Rechte der schwul-lesbischen Menschen eintreten, die unter uns leben (3% s./2% l.) und jenen, die Männer nur hassen und gegen sie kämpfen.

Nun, so waren es wohl doch eher die „Proleten“, denen Trump seinen Wahlsieg verdankt.
Die wollen wir uns nun doch mal genauer ansehen. Dass sie weiß, christlich und ungebildet sind wissen wir schon. Das sie Verlierer, „Modernisierungsverlierer“ sind, ahnen wir, aber wissen wir noch nicht. Aber wer sind sie? Ein Blick auf die Altersgrößenklassen der Wähler hilft uns da weiter.

Wer hat Trump gewählt?

  • Das waren die 40 – 49jährigen (48%),
  • die 50 – 64jährigen (51%) und
  • die über 65jährigen Männer (51%).

Das sind die Alten. Aber wer sind sie?

Das sind die, in der letzten Alterskohorte der Weltkriegsgeneration, die in den 40er Jahren Geborenen. Die sind jetzt weit über siebzig. Weiter sind es die, in der ersten Alterskohorte der ersten Nachkriegsgeneration, die in den Fünfzigern Geborenen, und die Altersgruppe der 40 – 49jährigen stellt die Nachkommen der in den Vierzigern geborenen Menschen.

Die in den 40ern, die waren Mitte 60er gerade fünfundzwanzig Jahre alt, gleichsam am Beginn ihres erwachsenen Lebens, und zusammen mit den in den Fünfzigern Geborenen waren es nun gerade sie, die den wissenschaftlich-technischen Industriekapitalismus in der zweiten Hälfte des 2O. Jahrhunderts, die „Industriegesellschaft“ mit Massenproduktion und Massenverschleiß von Konsumgütern zur Blüte verhalfen, die den „american way of life“ für ein paar Jahrzehnte tatsächlich einmal wirklich werden ließ. In Deutschland nennt der Autor diese beiden Generationengruppen zusammenfassend, gern die „Wirtschaftwundergeneration“.

Das “Goldene Zeitalter” – ein Blick auf die Geschichte

Ihnen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Art „Goldenes Zeitalter“ zuteil geworden. Sie haben im Nachkriegsboom große Gewinne gemacht, ihr Lebensstandard stieg offenbar von Jahr zu Jahr, in Deutschland hatten die Arbeiter in den großen Betrieben sogar Betriebsräte, Tarifverträge, gewerkschaftliche Mitbestimmung und sozialwissenschaftliche Programme zur „Humanisierung der Arbeit“, welche die harten Kanten der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ schleiften. Und im „Sozialstaat“ sorgte eine reiche Allmende, ein von allen finanziertes Gemeinwesen, für die Sicherung der Menschen, wenn sie ihr Leben aus eigener Kraft nicht mehr führen konnten und ihre Familien nicht mehr helfen.

Nur die Steuerhinterzieher, die „freerider“, beteiligten sich nicht, nutzen gleichwohl die Leistungen des Staates, ließen lieber die Anderen zahlen. Davon träumt die SPD noch heute, obgleich sie eine ganz andere Politik betrieben hat. Das war eine schöne Wirklichkeit, die Helmut Schmidt als „Modell Deutschand“ zum Exportschlager machen wollte. So sollte es immer sein und immer bleiben. Und die heute 40 bis 49jährigen gingen in jener Zeit zur Schule, bildeten sich zu Facharbeitern, die in den Großen Industrien auf Stellungen auf Lebenszeit hoffen konnten. Viele studierten oder machten anders Karriere mit oft steilem sozialem Aufstieg.

Seit den 80er Jahren begann diese Art der Arbeit, von der einfachen industriellen Handarbeit bis zur Facharbeit, überflüssig zu werden. 1982 wurde die „Halle 59“ bei VW in Wolfsburg eingerichtet. Damit war dieses kurze Zeitalter der Glückseligkeit abrupt beendet. Die Menschen und ihre Arbeit wurden von Automaten, Robotern und frei programmierbaren Arbeitsmaschinen ersetzt. Das war in Deutschland und in Europa so und in den Vereinigten Staaten auch. Wissenschaftlich-technische besser kybernetische Basisinnovation heißt das und heut ist unter dem Namen Industrie 4.0 eine weitere wissenschaftliche Basisinnovation unterwegs, die noch einmal die Kultur der „kapitalistischen Produktion“ umwälzen wird – „möglichst ohne Menschen“ soll produziert werden, heißt es.

Von Marx zu Hillary Clinton

Waren schon von Beginn an in der wissenschaftlich-technischen Industrie die Wissenschaften, die wissenschaftliche Arbeit erste Produktivkraft, die „konkret-allgemeine Arbeit“ (Marx). Und als konkret-einzelne Arbeit, allerdings in immenser Anzahl, waren die Arbeiter „Anhängsel der Maschinen“ (Marx), die Maschinen mit Rohstoffen versorgend und die Produkte entsorgend, sie instandhaltend, einrichtend und da einspringend, wo die Maschinen-Technik noch nicht hinreichte. So werden jetzt vermittels der digitalen Vernetzung allgemeine Arbeit und allgemeine Kommunikation zur Grundlage der „Produktion“ werden, aber nicht mehr die Dinge werden produziert, sondern der teilende Zugangs zur Nutzung von Leistungen. Nicht mehr Autos werden produziert werden, aber Mobilität, die viele produzieren und sich teilen – „Prosumenten“.

Diese Altersgruppen haben seit den kybernetischen Technologien in den Achtzigern ökonomische und soziale Verluste sondergleichen gehabt, nachdem sie über lange Perioden ihres Lebens in relativem Wohlstand leben konnten und gegenüber den „Armen der Welt“ noch immer privilegiert sind. Sie haben gezahlt. Sie sind in Amerika dabei zu „Erbärmlichen“ geworden, wie Hillary Clinton sich auszudrücken beliebte. Sie haben den technischen Wandel, die technische Revolution in US-Amerika in voller Härte ausbaden müssen.

Sie haben sich den veränderten gesellschaftlichen Umständen nicht anpassen können und werden daher nicht überleben. Für sie ist am reichen Tisch der Gesellschaft „kein Gedeck mehr aufgelegt“. „Sie haben keinerlei Anspruch“ auf Teilhabe, wie Robert Malthus sagte. Diese Altersgruppen werden, und nicht nur aus Altersgründen, in den nächsten Jahren sterben. Sie gehen unter, zusammen mit der großen Industriegesellschaft der Nachkriegszeit, ebenso wie schon ihr „antagonistisches“ gesellschaftliches Gegenmodell, der sowjetische Kommunismus unterging, die „Totgeburt“ (Jorge Semprun) vom Oktober 1917.

Untergang und Sterben der amerikanischen Gesellschaft

Diesen Menschen hat Donald Trump, rhetorisch überaus geschickt, eingeflüstert, Amerika wieder groß zu machen, so wie es früher war. Damit hat er sie geködert und damit er hat sie auch verabschiedet. Denn dieses Versprechen kann niemand mehr einlösen weil diese Gesellschaft schon untergegangen ist.

Und so erkennen wir, was – wie Paul Mason irgendwie ahnt – stirbt. Nicht die „amerikanische Supermacht will sterben“, aber die amerikanische wissenschaftlich-technische große Industrieprodukten und mit ihr, ihr besonderer Phänotyp, die „Arbeiter“, die notwendig zu ihr gehören, werden ebenfalls sterben. Das sind die zahllosen Menschen, die ihren Auf- und Niedergang begleitet, mitgestaltet und erlitten haben. Sie sind in US-Amerika tatsächlich von den Ostküsten – und Westkisteneliten verraten und vergessen worden.

Diese ganze Industriekultur, eine „gesellschaftliche Formation“ hätte Marx gesagt, wird sterben und ist eigentlich schon tot, Ebenso stirbt die ihr phänotypisch zugehörige „Linke“, sie ist schon tot. Diese „Linke“ war aber konzeptionell nie so, wie sie von Marx aus theoretisch gedacht werden könnte, das wäre etwa: Die Entschlossenheit zur Selbstermutigung der Arbeiter, ihre Selbstbefähigung, die wissenschaftlich-technischen und organisatorischen Produktivkräfte anzueignen, zu entwickeln und die Selbstermächtigung, sie als gesellschaftliche Eigentümer industriell in Gang zu setzten und zum Nutzen aller zu betreiben. Nicht als „Klasse“, aber als Gesell­schaft frei assoziierter, freier Individuen. So hätte „Kommunismus“ vielleicht Spaß gemacht – vertan! Eine solche Idee hatte bei den Linken niemals Raum.

Vielmehr bewegte die sich in der Relation von „gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung des Reichtums“ und seine „gerechte Verteilung“. Immerhin gelang der Sozialdemokratie in ihren besten Zeiten in einer Art profaner Caritas, für viele Menschen die blutigen Kanten und scharfen Ecken der kapitalistischen Produktionsweise zu mildern: Soziale Marktwirtschaft.

Die 40er-Geborenen

Jene Generationenkohorte der in den 40ern Geborenen ist im Übrigen zum Teil noch quietschlebendig. Donald Trump, geb. 1946, gehört selber dazu, und Hillary Clinton, geb. 1947 oder George W. Bush, geb. 1946, auch. Sie gehören zu dieser Geschichte und werden, gleichsam als ihr Phänotyp der „Elite“, mit ihr untergehen.

Was wir politisch jetzt erleben ist irgendwie der letze Aufstand, das letzte Aufbäumen der letzten Alterskohorte der Kriegsgeneration: ohne Zukunft. Sogar der „sozialdemokratische“ Demokrat Berny Sanders, der es vielleicht hätte besser machen können als Hillary Clinton, ist 75 Jahre alt und wahrlich für keinen Neuanfang und einen Zukunft sichernden Aufbruch der Demokratischen Partei verfügbar.

Allein Obama, Jahrgang 1961 oder seine Frau Michelle verbürgen Zukunft, eine andere Generation. Der wird von Politik genug haben. Aber der ist politisch von den „wütenden, alten Männern“, den Trumps, Gingrichs, Boltons, der Teaparty und wie sie alle heißen, fast vollständig blockiert worden. Das wird bald nicht mehr möglich sein – gestorben. Aber es wachsen ja etliche nach. Allerdings, bei den 18 bis 29-Jährigen hat eine solche „Trump-Elite“ keinerlei Chance, obgleich auch von ihnen etliche für Trump gestimmt haben. Sie stimmten mit nur rund 30% für Trump und positionierten sich, nach den Schwarzen, eindeutig gegen Trump.

Die “Civil-Rights-Movements” der Alten

Die Alten aber, die aus den 40ern, repräsentieren übrigens auch die Altersgruppe der Bürgerrechtsbewegung, des „Civil-rights-movements“. In den Vierzigern sind auch die Beatles geboren, George 1947, John 1940, Paul 1947, Ringo 1940 und viele andere mehr, Bob Dylan 1941. Diese Altersgruppe hat mit den „68ern“ (Norbert Frei) auch den Aufbruch in die erste weltweite zivilgesellschaftliche Bewegung und die Vision einer globalen Zivilgesellschaft hervorgebracht.

1960 mit den Unruhen in Greensboro, North Carolina beginnend, weiter im Sommer 1962 mit den Unruhen in Birmingham, Alabama, dem „Port Huron Statement“ der „Students for a Democratic Society“ in Berkeley sowie dem interracial „Movement of the Poor“ dann mit den „Antiautoritären“ in Westberlin 1966/67, sowie Prag und Paris 1968. Selbstverständlich: Die Frauenbewegung nicht zu vergessen.