Miteinander: Überlegungen….

…von  Bernhard Lassahn:

„Das Wahre ist das Ganze.“
G.W.F. Hegel in der Vorrede zur ‚Phänomenologie des Geistes’

„Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge.“
Volksmund

Das MITeinander, das agens stets betont, wirkt auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit – eine harmlose, gut gemeinte Forderung von netten Menschen. In der gegenwärtigen Situation jedoch, in der Geschlechter als „unabhängig“ und als „getrennt“ voneinander gesehen werden, wird der Gedanke des Miteinanders zu einer starken Opposition gegen das künstliche Nebeneinander, das uns aufgedrängt wird und das sich schon beim zweiten Blick als bösartiges Gegeneinander erweist.

Der Ansatz, Probleme miteinander zu lösen und sie von Anfang an so darzustellen, dass dabei deutlich wird, dass es sich nicht um eine simple Gut-und-Böse-Szenerie handelt, ermöglicht es erst, faire und zukunftsfähige Lösungen zu finden. Polarisierungen können das nicht. Die Bestandsaufnahme muss verantwortlich sein und darf nicht auf der Basis von „gefährlichem Halbwissen“ erfolgen.

Hier wird deutlich, worin ein Unterschied zwischen agens – wo Frauen mitwirken – und anderen Gruppen liegt, die zu den „Männerrechtlern“ oder zum „Männerforum“ gehören, sofern solche Initiativen sich als Reaktion auf den Vormarsch der Frauen verstehen, und überall da als Lückenbüßer einspringen, wo die Gleichstellungspolitik blinde Flecken hat. Anders agens: agens  tritt gar nicht erst zu so einem Vergleichskampf an, agens stellt von vorneherein die Versuchsanordnung eines erzwungenen Gegeneinanders in Frage und unterläuft die Geschlechter-Apartheid: Wegen Unbespielbarkeit des Platzes fällt das angekündigte Qualifikationsspiel DER Frauen gegen DIE Männer aus. Stattdessen versucht agens, die verschiedenen Kräfte konstruktiv zusammenzuführen und auf eine neue Grundlage zu stellen, nämlich auf die eines verständnisvollen Miteinanders. Ein „ganzheitliches“ Denken, das schon bei der Wahrnehmung und Beschreibung der Probleme anfängt, ist jedem anderen Denken überlegen, das meint, man könne die Probleme isolieren, ohne dabei die Risiken und Nebenwirkungen zu berücksichtigen.
Zwei Beispiele:

Erstens: Die Gewalt-Diskussion

Wenn man Gewalt als reine Männergewalt darstellt – als „Gewalt gegen Frauen“-, ist das nur eine Seite, die vielen sogleich als die „einzige“ und zugleich als die „einzig wahre“ erscheint; sie sind völlig überrascht, wenn man ihnen erklärt, dass häusliche Gewalt tatsächlich zu 25% von Männern, zu 25% von Frauen und zu 50% von beiden ausgeht. Wenn man nun eines der vielen Programme, die sich gegen „Gewalt gegen Frauen“ richten, ergänzt um ein Programm, das „Gewalt gegen Männer“ thematisiert, hat man zwar einen richtigen, aber auch nur ersten Schritt getan. Dann stehen sich zwei Seiten gegenüber, die sich den Spiegel vorhalten und sich gegenseitig vorwerfen, die Opferzahlen falsch einzuschätzen. Immerhin ist man von einer nur 25%tigen Wahrnehmung zu einer 50%tigen gekommen. Weiter nicht. Die Ursachen sind noch nicht in Sicht. Erst wenn man die getrennte Betrachtung überwindet, kommt man der Wahrheit näher, und kann sich fragen, was Frauen und Männer jeweils dazu beitragen, dass sie schlagen – beziehungsweise geschlagen werden. Denken wir bei der Gelegenheit auch an gewisse Jugendliche, die sich zwanghaft selbst Schmerzen zufügen, die sich schlitzen und die in der Mode des Piercings ihre Bereitschaft, Leiden zu ertragen, vor sich hertragen wie ein Banner. An solchen Beispielen wird sinnfällig, dass eine Opfer-Täter-Schwarz-Weiß-Malerei nicht hilfreich ist, hier sind die erwähnten Jugendlichen nämlich Opfer und Täter zugleich. Eine Initiative, die sich von einer a priori vorgenommenen Schuldzuweisung frei macht und sich mit einem Weitwinkel-Blick dem Problem „Schmerz erleiden, Schmerz zufügen“ widmet, schafft mehr Möglichkeiten für alle Beteiligten, sich darin wiederzufinden, Vertrauen zu so einem Ansatz zu gewinnen – und kann besser zu Lösungen vordringen.
Zweitens: Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere

Die Diskussion darüber wird so geführt, als handele es sich dabei lediglich um eine Angelegenheit von Frauen, von der ausschließlich sie selbst betroffen sind. Da ist vom „Karriereknick“ die Rede, von einer „gläsernen Decke“ und von geheimnisvollen „Männerbünden“, die dem Aufstieg einer Frau in obere Etagen im Wege stehen. Um hier nicht bei der halben Wahrheit zu bleiben, sollte man ebenso – und zwar möglichst mit denselben Begriffen – die Situation der Männer beschreiben, außerdem die Auswirkungen auf die betroffenen Kinder und darüber hinaus die Folgen für die gesamte Gesellschaft. Sonst behält man einen Tunnelblick und versteht nicht mal, dass eine Karriere, die zu Spitzenpositionen führt, für Männer genauso schwierig ist und dass es dabei auch um andere Dinge geht als um Geschlechtszugehörigkeit. Der große „Karriereknick“ für Männer liegt in der Scheidung und ist für sie weitaus weniger vorhersehbar, beherrschbar oder gar vermeidbar als eine Schwangerschaft, hat aber dramatische Auswirkungen, nicht nur für den betroffenen Mann selber, der danach oft nur noch zum Fensterputzer der gläsernen Decken taugt, in denen sich die Frauen der F-Klasse spiegeln. Ein anderer Karriereknick liegt vor, wenn ein Mann Opfer einer Quote wird, was man genauso mit Empathie beschreiben und als echtes Problem thematisieren muss wie das Imageproblem einer Frau, die von der Quote profitieren will. Man muss sich außerdem fragen, was eine Karrierefrau für Kinder und für die Gesellschaft leistet im Vergleich zu einem Karrieremann.
Nun folgen ein paar Ideen, die als Vorschläge gemeint sind, als Anregungen, Ausblicke und konkrete Utopien, um zu zeigen, dass agens nicht in der Polemik verharren will und sich mehr Bewegung zwischen den Geschlechtern wünscht; agens will die Diskussion wiederbeleben, ehe sie vollends zu einem Monolog verkommt. Hier also ein paar Visionen für einen „New Deal“ auf der Basis eines Miteinanders.

1. Eheschließung mit Wahl eines Ehevertrages

So wie ein Paar beim Standesamt zwischen einer „ausgeschmückten“ und einer „weniger ausgeschmückten“ Textvariante wählen kann, sollte es sich bei der Gelegenheit auch zwischen alternativen Eheverträgen entscheiden. Gegenwärtig haben wir die Situation, dass ein Ehevertrag nicht nur als unromantisch, sondern geradezu als Verrat gilt, und die meisten Paare deshalb keinen abschließen. Sie denken womöglich, dass sie dann auch keinen haben. Sie haben einen. Sie verschließen die Augen vor der Erkenntnis, dass das Standesamt inzwischen zu einem Reisebüro geworden ist, dass einem Pärchen einen Urlaub anbietet, bei dem die Wahrscheinlichkeit, dass er in einer persönlichen Katastrophe endet, Fifty-fifty ist. Wenn einem Paar das klar wäre, würden sie lieber woanders eine Reise buchen. Dazu könnte ihnen die passende Variante eines Ehevertrags helfen, das die Wahrscheinlichkeit des Misslingens verkleinert – je nachdem, was das junge Glück für Vorstellungen hat. Wenn sich herausstellt, dass schon in den Startlöchern Unstimmigkeiten aufflackern, ist das eine deutliche Warnung, die Klärung nicht länger herauszuzögern. Eine Regelung, die zu einem Zeitpunkt getroffen wird, wenn sich beide gegenseitig das Beste wünschen, macht nicht nur eine spätere Scheidung einfacher, auch die Aussichten für das Eheleben sind deutlich besser. Im Moment ist es nämlich so, dass der Mann durch die Drohung mit finanziellem Ruin und dem Entzug der Kinder in eine permanente Erpressungssituation gebracht wird, die nur schwer zu ertragen und einer der Gründe für die Zerrüttung ist, die nachher beklagt wird.

2. Automatischer Vaterschaftstest bei der Geburt

Neben den verschiedenen anderen Untersuchungen, die an einem Neugeborenen vorgenommen werden, wird bei der Geburt auch die Vaterschaft festgestellt. Grundsätzlich. Damit kommt man dem Recht des Kindes nach, beide Eltern zu kennen. Das Unterschieben von Kuckuckskindern ist dann nicht mehr möglich; eine Frau, die eine Überraschung vermeiden will, hat Zeit genug, alle Beteiligten vorzubereiten. Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Vaterschaftstests wäre hinfällig.

3. Angemessene Mutter- und Vaterrolle. Modell des „Garantie-Vaters“

In der Bevölkerung wird es spöttisch „Wickelvolontariat“ genannt, wenn ein Vater sich ein paar Vätermonate nimmt, als müsse er den Beweis antreten, dass auch Männer so etwas schaffen. Damit wird die Rolle eines Vaters so gesehen, als wäre er die Zweitbesetzung einer Mutter, der man jedoch nur einen Bruchteil der Bedeutung zubilligt. Tatsächlich haben Väter und Mutter aber nicht gleiche, sondern sehr unterschiedliche Rollen mit unterschiedlicher Reichweite. Die Geburt ist für die Mutter eine Sensation, die Stunde der Väter kommt später. Ihre Rolle ist eher mit einem Langstreckenläufer vergleichbar, der langsam anläuft; ein Vater gewährt Zuverlässigkeit und Großzügigkeit auf lange Sicht. Daher ist es wichtig, dass er nicht in allzu große Nähe zum Kleinkind gerät, auch wenn das als aufregendes Glück erlebt werden kann. Aber die mangelnde Nähe, die auf den ersten Blick als Defizit wirkt, erweist sich als Qualität, je älter das Kind wird, die Enge des Laufställchens verlässt und in der Welt der Großen eine Vertrauensperson wiederfindet, die es schon aus dem Laufställchen kennt, von der es aber weiß, dass sie nicht die meiste Zeit darin verbracht hat. Damit ein Vater so eine Langzeit-Garantie auf Vaterliebe geben kann, muss umgekehrt ihm garantiert werden, dass ihm das Kind nicht durch Willkür der Frau entzogen werden kann.

5. Kinder aus Unterhaltsprozessen heraushalten

Wenn es doch zu Scheidungen kommt (Wenn der Satz so anfängt, ist damit schon angekündigt, dass Scheidungen die Ausnahme sein müssen, sonst sollte man gar nicht erst heiraten …), dann erweist sich die unter Punkt 1 genannte Regelung als Segen. Gerade für Kinder. Kinder können dann nicht mehr in einem Prozess, bei dem es gar nicht um sie geht, eingesetzt werden, um die Kosten in die Höhe zu treiben. Wenn es dennoch geschieht, soll es auch so bezeichnet und dokumentiert werden, damit die Kinder später die Möglichkeit haben, nachzuvollziehen, zu welchem Preis sie missbraucht worden sind und sich später an die Anwälte wenden können, die ihnen das angetan haben. Durch den Ehevertrag (s.o.) wird der Handlungsspielraum der Scheidungsanwälte reduziert; ihre Möglichkeiten, sich am privaten Unglück zu bereichern, werden eingeschränkt; die Gerichte werden entlastet; das Gemeinwesen spart Geld. Eine Regelung im Sinne der Kinder könnte zum Beispiel so aussehen, dass Scheidungen erst ab einem Mindestalter der Kinder möglich sind oder so, dass die Frage der Betreuung und des Umgangs von einer unabhängigen Instanz oder aber einvernehmlich zwischen den Eltern geregelt wird – und zwar vorher. Bevor sich die Mühlen der Gerichte drehen. Die „Mühle“ kann auch komplett vermieden werden, wenn Paare, die sich trennen wollen, einfach so leben, wie sie es im Trennungsjahr sowieso tun, nämlich getrennt von Tisch und Bett – aber noch nicht gegeneinander aufgehetzt und in Feindschaft getrieben.

6. Beratungspflicht bei Scheidungen. Kontrolle des Geldflusses

Gut, man mag denken, dass eine Frau, die eine Scheidung einreicht, alt genug ist, um zu wissen was sie tut. Dem widerspricht die Tendenz, Frauen aufgrund ihrer Opferrolle aus jeglicher Verantwortung herauszuhalten und sie generell zu entschuldigen. Es darf auch nicht verkannt werden, in welchem Maße die Rechtssprechung in Sachen Kindeswohl und Unterhalt verkommen ist – was sich Leute, die keinen direkten Einblick haben und immer noch an das Gute der Justiz glauben, nicht so recht vorstellen können und das gar nicht erst versuchen wollen. Wenn sich nun eine Scheidungswillige vorher bei einem Anwalt, der sie später nicht vertreten darf, beraten lassen muss, könnte man nicht nur Schäden eingrenzen, sondern auch die Fragwürdigkeit der Helferindustrie sichtbar machen. Schon der Ausdruck „Helferindustrie“ ist fragwürdig; man denkt bei dem Wort an die Herstellung von Waren, die gebrauchen werden. So ist es aber nicht. Die „Helfer“ bereichern sich persönlich, ohne jeden Nutzen für die Allgemeinheit. Ihnen muss man den Geldhahn zudrehen. Let’s face it: Der Ruf der Richter im Familienrecht, sowie der Ruf der Anwälte ist ruiniert.

Hier macht ein Blick nach Australien Hoffnung. Da finden beispielhafte  Veränderungen statt (vorgestellt in der Zeitschrift ‚papa-ya’). Die Frage, die hinter den neuen Initiativen von Down Under steckt, lautet: Kann man das System noch reformieren – eine auf unsere Verhältnisse bezogen riesige Aufgabe, die bei der Prozesskostenhilfe anfängt und bei der Anrechnung der Betreuungszeiten für Männer noch nicht aufhört – oder kann man es weiträumig umfahren wie eine Unfallstelle?

7. Möglichkeiten der Versöhnung

Scheidungen streuen; sie betreffen auch Freundschaften und den erweiterten Kreis der Familie – Großeltern werden mitgeschieden, ob sie wollen oder nicht. Wie sehr nach einer Sturmphase eine neue Annäherung überhaupt möglich ist, hängt stark davon ab, wie tief die Gräben sind und wie weit die Beteiligten in der Lage sind, die Schuldzuweisungen zu überwinden und stattdessen ein System zu erkennen, das beide mitgerissen hat. Schon im vorigen Absatz habe ich von so einem „System“ gesprochen. Gemeint sind die gesammelten Kräfte der Familienzerstörung, zu denen postsozialistische Ideale gehören, die Orientierung am Gender Mainstreaming und der real existierende Feminismus mit seinem Opferkult. Dazu gehören das Wirken der Scheidungsanwälte, Familienrichter, Jugendämter, Gutachter und Gleichstellungsbeauftragten, die alle eingelullt sind in eine an Kriegspropaganda erinnernde Stimmungsmache gegen alles Männliche. Ich gebe als Beispiel für die Möglichkeit einer Versöhnung das Beispiel von Vera Lengsfeldt, die das Schicksal traf, dass ihr Ehemann sie an die Stasi verraten hatte. Auf die Frage, ob sie ihrem Mann verzeihen könne, meinte sie, „Ja. Denn nicht der Mensch, das System ist schlecht.“

1 Gedanke zu „Miteinander: Überlegungen….“

  1. ich meine, man sollte eigene Artikel ganz auf der Website ausgeben, und sie erst zum Schluss als pdf ausgeben. Viele Grüße b.oelemann

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