Jeden Freitag und Sonntagnachmittag kann man sie auf den Bahnsteigen sehen: ein Trennungskind mit seinem Vater…….. auf der Hin- oder Rückreise zu seiner Mutter. Es ist eins von rund 400 Kindern, die arbeitstäglich per Gerichtsbeschluss zu Scheidungskindern werden. Schaut man in die Gesichter der Kinder, meint man eine stille Traurigkeit zu erkennen. Man mag gar nicht darüber weiter nachdenken. Diese Kinder erfahren nach dem Scheidungsprozess meistens von der Mutter den Gerichtsbeschluss, dass sie nun mit der Mutter zusammenleben müssen und ihr Vater die Wohnung verlassen muss…..für minderjährige Kinder ein noch unfassbares Ereignis.
Das Erleben eines Trennungskindes
Vor der Scheidung: Ungewohnt erlebt das Kind seine Eltern plötzlich als sich streitende Menschen. Natürlich ist es für die Eltern äußert schwierig, neben ihren eigenen Auseinandersetzungen, auch ihr Kind achtsam im Auge zu behalten. Aber in einer solchen Situation ist man nicht in der Lage, das eigene Kind als ein Subjekt mit eigenen Wünschen und Gefühlen zu sehen. Die Verunsicherung des Kindes steigert sich stetig, seine Eltern reden kaum noch in Liebe miteinander. Für das Kind bricht eine Welt zusammen, ganz alleine muss es damit fertig werden.
Nach der Scheidung: Ein Elternteil (zu 80 Prozent der Vater) verlässt die Familie, das Kind erlebt diese Änderung als einen unerträglichen Verlust. Diese neue Situation kann eine Kinderseele kaum verarbeiten. Das Kind wird schlagartig mit einer völlig neuen Situation konfrontiert. Deswegen kann sich dies Erlebnis bei fehlender seelischer Begleitung zu einem Trauma entwickeln. Eine mögliche spätere Psychotherapie im Erwachsenenalter kann Jahre dauern.
Später: Der Vater hat die Familie verlassen. Dann räumen auch Mutter und Kind die elterliche Wohnung und ziehen in eine kleinere Wohnung. Wieder eine neue Situation für das Kind, besonders der Verlust des gewohnten Freundeskreises trifft das Kind unmittelbar. Sein Vater ist physisch kaum mehr vorhanden.
Von immenser Bedeutung für das Kind ist jetzt das Bild, das die Mutter vom abwesenden Vater zeichnet. In der Hälfte der Fälle erlischt die Erinnerung an den Vater nach wenigen Jahren. Das Kind ist nun allein mit seiner Mutter. Sie ist allerdings jetzt meistens berufstätig und für viele Stunden außer Haus. Das Kind kommt in die „Fremdbetreuung“. Die gemeinsame Zeit Mutter-Kind vermindert sich drastisch, das Kind spürt ein Verlassen-Sein. Trennungskinder werden so zu Opfern, zu Objekten einer Scheidungskultur, gelebt von Elternteilen, die auf dem Rücken ihrer Kinder ihre Selbstverwirklichung leben.
Über die Trennungsmütter erfährt die Gesellschaft sehr viel mehr, es ist das zu bemitleidende Schicksal der „Alleinerziehenden Mutter“. Diese wird von Feministinnen quasi als „Ikone“ hochgehalten, denn die „Alleinerziehende“ ist die Frau, die sich von der finanziellen Abhängigkeit von ihrem Mann, dem Vater ihrer Kinder, „befreit“ hat.
Seit langem lässt sich anhand der hochstrittigen Scheidungen und Trennungen und der wissenschaftlich untersuchten negativen Folgen für die der betroffenen Kinder ablesen, wie sehr die Justiz, die Familien- und Jugendhilfe und Beratungseinrichtungen zunehmend durch die Probleme überfordert sind. Bisherige Leitlinien der Rechtsprechung, Beratung und Hilfen haben nicht wesentlich zu einer Linderung der Probleme geführt. Im Gegenteil: ausgehend von dem konstant hohen Anteil an Kindern getrennter Familien (etwa 25 Prozent sind betroffene Kinder). Eine absolute Horrorvorstellung stellen in hochstrittigen Fällen die sogenannten „Inobhutnahmen“ von Trennungskindern durch die Jugendämter. Konkret bedeutet das ein Abholen des Kindes mit polizeilicher Begleitung.
Die Schicksale von Trennungskindern werden von den Medien bisher kaum thematisiert. Trennungskinder nehmen häufiger Drogen, leiden mehr unter psychischen Störungen als die übrigen Schüler, ihre schulischen Leistungen liegen unter dem Durchschnitt und ihre ADHS-Gefährdung liegt bei über 30 Prozent.
Die Folgen für die Kinder werden klein geredet
Wenn in den Medien über die Trennungskinder berichtet wird, werden obige Phänomene oft beschönigt und relativiert. Beispielsweise – so wird häufig berichtet – lägen die Probleme der Trennungsinder sehr häufig an dem psychischen Druck der Eltern, der an die Kinder weitergegeben würde. Oder: in Trennungsfamilien würde sowie so schon oft vor der Trennung viel gestritten. Und schließlich warnen Experten davor, sich nur auf die negativen Auswirkungen einer Scheidung zu konzentrieren, da diese die individuellen Anpassungsleistungen der betroffenen Kinder verdecken. No comment.
Kann es sein, dass Frauengruppen das Thema Trennungskinder kleinreden, um die freie Entscheidung der Mütter, sich von ihren Männern zu trennen, nicht zu hinterfragen? Schließlich werden über 70 Prozent der Scheidungsanträge von Frauen gestellt. So stellt das Thema Trennungskinder immer noch ein Tabuthema dar. Selbst im Kinderausschuss des Deutschen Bundestages spielt das Thema bislang nur eine untergeordnete Rolle.
Für die meisten Trennungskinder ist allein schon die Elterntrennung eine kaum fassbare Katastrophe. Es droht aber für viele Trennungskinder – neben der Elterntrennung – noch ein zweites einschneidendes Erlebnis ihrer Beziehungserfahrungen, und zwar wenn der erziehende Elternteil, zumeist die Mütter, eine weitere Partnerschaft eingeht. Und da ist es wieder: das Gefühl, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Verstärkt wird dieses Gefühl., wenn der neue Partner (als „Vaterersatz“?) dann noch mit in die Wohnung einzieht. Eine „Patchwork“-Familie entsteht.
Wie geht die Öffentlichkeit damit um? Auch die Patchwork-Familie wird medial zumeist positiv dargestellt, günstigenfalls als eine „Herausforderung“ für alle Beteiligten. Es heißt dann auch beschönigend: Das Trennungskind würde eine neue Erfahrungswelt bekommen, die seine Reifeentwicklung beschleunigt, verglichen mit einem Kind in einer heilen Familie. Nein! Das Kind leidet. Die Tatsache des „Geworfenseins“ überdeckt jegliche Offenheit gegenüber einem weiteren Situationsveränderungen mit dem Kind als Objekt für das Elternwohl.
Neben der Tabuisierung der psychischen Folgen der Trennungskinder und das Schönreden der Patchwork-Kinder kommt noch ein Drittes hinzu: es sind die teilweise noch unbekannten psycho-sozialen Langfristfolgen von Trennungskindern für die Zeit ihres Erwachsenwerdens. Es liegt noch wenig brauchbares, wissenschaftlich abgesichertes Material vor. Was aber als abgesichert angesehen werden kann, ist die häufige Weigerung von Trennungskindern, später feste Bindungen einzugehen und die höhere Scheidungsrate von Scheidungskindern.
Entfremdung: Wenn der Vater zum Monster wird
Ebenso wenig bekannt in der Öffentlichkeit ist das Phänomen der Eltern-Kind-Entfremdung. Dabei „mutiert das ehemals geliebte Elternteil (der Vater) zu einem Monster“ (Die ZEIT). Dies geschieht durch entsprechende Erzählungen der Mutter mit dem Ziel einer Entfremdung des Vaters. Diese Art von Entfremdung wird in Scheidungsverfahren häufig als Beweismittel eingesetzt, beispielsweise um das Sorgerecht zu erlangen. Da zumeist die Väter von der Entfremdung ihres Kindes betroffen sind, ist das Entfremdungssyndrom ein typisches Beispiel für einen möglichen ideologischen Einfluss feministischer Frauengruppen. Ihr jahrelanges Interesse galt und gilt natürlich dem Schutz der alleinerziehenden Mutter.
Die geringere Zunahme von Scheidungen in jüngster Zeit, könnte einen Wertewandel hinsichtlich Beziehungskultur und Paarbildung Mann/ Frau andeuten. Dieses Phänomen könnte über die coronabedingte Rückkehr zur Häuslichkeit die Entwicklung hin zu weniger Trennungskindern unterstützen.
(Aus der Tagespost vom 7.Mai 2020)